Theodorakis, Mikis
The Metamorphosis Of Dionysos
An Opera in Two Acts
Im Alter von 60 Jahren schrieb der griechische Starkomponist Mikis Theodorakis 1985 seine erste Oper. Der Zweiakter Die Metamorphosen des Dionysos heißt eigentlich im Haupttitel Kostas Karyotakis, denn das Leben und Werk des gleichnamigen griechischen Dichters (1896-1928) bilden den losen roten Faden des Werkes. Als der Staatsbeamte Karyotakis damals in eine kleine griechische Provinzstadt namens Preveza versetzt wurde, kam das einer Verbannung gleich und in der Überzeugung, ein griechischer Dichter sei doppelt nutzlos, nahm er sich dort das Leben.
Theodorakis fand einige äußerliche Bezugspunkte zu seinem eigenen Leben: Sein Vater wurde im selben Jahr, 1896, geboren wie Karyotakis, dieser begegnete in der Stadt Chania auf Kreta das ist einer der Orte, in die es sowohl den Dichter wie auch später den Komponisten verschlug einem gewissen Evgenios Aretakis, der nicht nur einer von Karyotakis wenigen Freunden, sondern auch einer von Theodorakis zukünftigen Onkeln wurde, und so weiter. Einige der Elegien und Satiren (1927) von Karyotakis dienen in der hier vorliegenden Oper als Arien, während Theodorakis sich sein Libretto ansonsten selbst schrieb.
Die Metamorphosen des Dionysos sind eine bittere Satire auf die griechische Geschichte, mit wilden Zeitsprüngen von der ersten importierten Dynastie Otto und Amalie, die den Griechen im 19. Jahrhundert eine Bayernherrschaft bescherte, über Winston Churchill, der 1944 im befreiten Griechenland die linke Widerstandsbewegung unterdrücken wollte (was zu fünf Jahren Bürgerkrieg führte) bis zu dem 1981 an die Macht gelangten, sozialistischen Premierminister Andreas Papandreou, der nach der Meinung des damaligen Kommunisten Theodorakis Griechenland in eine Müllhalde verwandelt hat. Das alles mit allegorisch karikierten Figuren wie Dionysos als Gott und Conférencier (ein epischer Aspekt!) und Romiosini als Verkörperung des Griechentums, luftgeschwängert von Staatssekretär Punentes (der Wind), der Librettist/Komponist hätte sie nach eigener Aussage lieber Tante Emma getauft.
Kaum ein Komponist unserer Zeit kann tiefsinnige Inhalte auf so populäre und im besten Sinne folkloristische Weise herüberbringen wie eben Mikis Theodorakis. Balkanische Rhythmen und byzantinische Melismen verbinden sich zu einer eingängigen Mischung. Auf dieser neuen Doppel-CD erklingt die punktgenaue Kammerfassung von Henning Schmiedt, dem langjährigen Mitarbeiter des Komponisten, in der Besetzung Solisten, Chor, Klavier, zwei Saxofone, Flöte, Trompete, Posaune, Tuba, Violoncello, Bass und drei Perkussionisten. Klar wird in dieser Version der Bezug zu Theodorakis großem Vorbild Igor Strawinsky (man denkt etwa an den in Karyotakis Todesjahr 1928 szenisch uraufgeführten Oedipus Rex) und der Revue-Charakter aus der verworfenen Erstfassung der Oper.
Die RBB-Produktion von 1999 erschien erst jetzt auf dem CD-Markt, kann sich aber in jedem Fall hören lassen: Die überwiegend polnischen Interpreten, mit dem Arrangeur Henning Schmiedt am Flügel, wissen unter der musikalischen Leitung des Komponisten sehr genau, was sie tun. Auch mit der neugriechischen Sprache scheinen sie keine Schwierigkeiten zu haben das einfach, aber glasklar gestaltete Beiheft gibt gute Zitate und Zusammenfassungen in englischer und deutscher Sprache.
Ingo Hoddick