Vivaldi, Antonio

The Four Seasons

Rubrik: CDs
Verlag/Label: EMI Classics 0946 3 94431 2 3
erschienen in: das Orchester 05/2008 , Seite 60

Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ sind seit Nigel Kennedys Einspielung nicht nur bei Klassikhörern, sondern weit darüber hinaus ein Erfolgsstück. Sie liegen in unzähligen Aufnahmen vor. Sarah Chang wagte sich 2007 an diese Musik. Sie trat bereits mit acht Jahren in der Carnegie Hall auf. Mittlerweile ist die 27-jährige Künstlerin ein internationaler Star. Das Orpheus Chamber Orchestra tritt ohne Dirigent auf und erarbeitet sich die Programme durch eine Art von Teamwork, die auch außerhalb der Musik für Aufsehen sorgt.
Auf den besonderen Akzent der Einspielung gibt das nicht gerade informative, aber im Design der Popmusik schön bebilderte Booklet einen Hinweis: Die Solistin hebt in ihrem Statement die Bedeutung der Sonette für ihre Interpretation hervor; diese Gedichte sind erfreulicherweise in vier Sprachen abgedruckt. Changs Violinspiel zielt in der Tat auf eine sehr differenzierte Umsetzung der Poesie dieser Gedichte ab. Sie malt mit ihrem Violinton die Stimmungen eindringlich und voller musikalischer Imagination. Das Zusammenspiel mit dem Orpheus Chamber Orchestra ist nahtlos und perfekt aufeinander abgestimmt. Großartig gelingt die rhythmische Koordination zwischen dem Solopart und dem Orchester. Auch die Klangfarbenschattierungen werden von beiden in nahtloser Kongruenz gestaltet. So entstehen „musikalische Szenen“ voller Plastizität, etwa im 2. Satz des „Frühlings“ zwischen dem „Schlaflied“ der Solovioline und dem bellenden Hund. Im „Sommergewitter“ donnert das Orchester mit größter Klangfülle los. Den „Eiswind“ im Winter spielt die Solistin mit beängstigend perfekter, man könnte sagen „eiskalter“ Technik, was ganz dem Ausdrucksgehalt dieses musikalischen Bildes entspricht.
Verstärkt wird diese hervorragende Gestaltung durch die Perfektion moderner Aufnahmetechnik. Hier wird aus einer alten Geige des 18. Jahrhunderts ein quasi elektronisches Instrument mit brillanten Lautstärkegegensätzen, größer Klangfülle, einem plastischen Hervortreten der Bässe (auch der tiefen Saiten der Violine) und klaren rhythmische Akzenten. Dadurch kann Vivaldis Musik in einem neuen klanglichen Gewand gehört werden. Sie wirkt mitreißend auch für Nicht-Klassikhörer.
Schön ist es, dass trotz der Betonung des Klangs ein artikuliertes und differenziertes Spiel nicht auf der Strecke bleibt. Sarah Chang und das Orpheus Chamber Orchestra lassen sich auf das musikalische Detail ein. Ein kleinteiliger Dialog zwischen Solistin und Orchester macht erstaunliche Feinheiten der Komposition hörbar. Dabei geht es den Musikern sowohl um berückend schöne Klänge wie auch um eine fast schon erschreckend modern wirkende, aufrüttelnde Darstellung der Naturgewalten. Vivaldis „Jahreszeiten“ werden so für ein modernes Publikum zu einem nachhaltigen Erlebnis. Eine wichtige Neueinspielung!
Franzpeter Messmer

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