Weill, Kurt
The Eternal Road (highlights)
Das Erbe der jüdischen Musik in Amerika zu erforschen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen ist die Aufgabe des Milken Archive of American Jewish Music. Seit 1990 werden hier Tondokumente und Partituren zusammengetragen, fast vergessene Musik ediert und Aufnahmen vorgestellt, die sich der Breite der Musik der Juden Amerikas seit den ersten Einwanderern im 17. Jahrhundert annimmt. Einen beachtlichen Teil der Arbeit des Milken-Archivs nimmt die Einspielung von vergessener oder oft unterschätzter Musik ein.
In Zusammenarbeit mir der Firma Naxos sollen nun in einer großen Edition des Archivs auf 50 CDs über 600 Werke von 200 Komponisten vorgestellt werden. Dabei ist die Spannweite beachtlich. Zu den in der Reihe vorgestellten Komponisten gehören solche wie Joseph Achron, dessen umfangreiches Werk noch der Aufarbeitung harrt, ebenso wie die Musik des Mitbegründers der Musical-Tradition des Broadway Abraham Ellstein, von Ernst Toch oder Samuel Adler. Bekannte Namen wie Arnold Schönberg oder Leonard Bernstein fehlen zwar nicht, dennoch ist die CD-Reihe des Milken-Archivs zuvörderst eine Fundgrube unbekannter Musik, die zumeist von hochkarätigen Ensembles und Interpreten musiziert wird. Musik der jüdischen Theatertradition wird hier ebenso wie diejenige mit sakralen Ursprüngen vorgestellt, neben Ausgrabungen vergessener Komponisten sollen auch junge jüdische Künstler Raum bekommen. Zudem sind auch nichtjüdische Künstler wie Dave Brubeck mit Werken vertreten, dessen Kantate The Gates of Justice die historische und spirituelle Parallele zwischen Juden und Afroamerikanern zieht.
Für die hohe Qualität der Serie des Milken-Archivs steht auch eine CD mit Auszügen aus Kurt Weills The Eternal Road. Der Dessauer Kantorensohn, dessen Dreigroschenoper allzu leicht sein weiteres, sehr breites Schaffensspektrum überstrahlt, hat sich schon als junger Komponist mit der jüdischen Tradition befasst. Nach seiner Vertreibung aus Nazi-Deutschland schuf Weill in seiner amerikanischen Wahlheimat eine ganze Reihe von bedeutenden Broadwaywerken, die seinen Songstil quasi in die neue Welt transformierten und einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des amerikanischen Musiktheaters darstellen. Ob The Eternal Road wirklich als Zeichen der Rückkehr Weills zum jüdischen Glauben, von dem er sich zwar nie abgewandt hatte, der aber in den 1920er Jahren keine wesentliche Rolle für den Komponisten spielte, gesehen werden kann, darf angezweifelt werden.
Sicher ist, dass The Eternal Road unter dem Eindruck des aufkommenden, 1933 in Deutschland an die Macht gekommenen Nationalsozialismus entstand und als Zeichen der Solidarität mit den verfolgten Juden einerseits, andererseits als wirkungsmächtiges Zeichen der jüdischen Identität zu sehen ist. Die Straße der Verheißung, die auf einem Text von Franz Werfel (nach der Heiligen Schrift und in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Max Reinhardt) basiert, ist formal kaum einzuordnen. Ob Oper, Musikdrama, biblisches Oratorium oder Jüdisches Passionsspiel das für eine gewaltige Bühnenproduktion vorgesehene Werk entzieht sich bekannten Charakterisierungen.
Die von Gerard Schwarz am Pult des sehr aufmerksamen Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin geleiteten Auszüge umfassen etwa ein Drittel der Partitur, die 1937 in New York in einer von einer riesigen Besetzung geprägten Uraufführung (Regie: Max Reinhardt) zu hören war. Die im Rückblick auf biblische Ereignisse erzählte Geschichte der Straße der Verheißung zeigt durchaus Parallelen zu den damals aktuellen, die Existenz der Juden gefährdenden Ereignissen im Vorkriegseuropa. Weill greift musikalisch auf die Oratorienpraxis des 18. Jahrhunderts ebenso wie auf jüdische Elemente zurück. Gelegentlich ist aber auch der Broadway nicht fern. Es ist dem Werk anzumerken, dass Weill auf Publikumswirksamkeit bedacht war, was die handwerkliche Qualität ebenso wenig wie Einfallsreichtum vermissen lässt.
Dies wird auch in der Berliner Aufnahme deutlich. Schwarz ist nicht nur am Pult des RSB ein einfühlsamer Sachwalter der Musik Weills, auch dank des hervorragenden Ernst Senff Chores und des ohne Schwachstellen agierenden Solistenensembles ist diese Einspielung zu empfehlen. Ob bei der Miriam der Barbara Rearick oder beim mit cremigem Timbre aufwartenden Tenor Vale Rideout: Die Aufnahme kann jederzeit überzeugen.
Walter Schneckenburger