Werke von Maurice Ravel, Jerry Brock/John Williams, Joseph Achron u. a.

The Essential Hebrew Violin

Anne Battegay (Violine), François Robin (Violoncello), Alessandro Tardino (Klavier), Kurpfälzisches Kammerorchester, Ltg. Marc-Olivier Oetterli

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Ars Produktion
erschienen in: das Orchester 01/2024 , Seite 69

Die 1988 in Zürich geborene Geigerin Anne Battegay legt mit dieser CD ein klingendes persönliches Bekenntnis zu jüdischer bzw. jüdisch inspirierter Kammermusik ab. Nicht alle vertretenen Komponisten sind jüdischer Herkunft: Mit Maurice Ravel, Max Bruch und Sergej Prokofjew wurden auch Komponisten und Werke eingebunden, die die jüdische Stilistik kongenial bedienen. Der historische Bogen reicht dabei von Bruchs gebetsartigem Kol Nidrei aus dem Jahre 1880 bis zur konzertant auftrumpfenden Filmmusik zu Anatevka von Jerry Bock/John Williams von 1964.
Die Mehrzahl der zehn Werke erklingt in neuen Arrangements, die hier als Ersteinspielung vorgelegt werden. Joseph Achrons eigentlich für Violine und Klavier verfasste Stücke Hebräische Melodie und Hebräisches Wiegenlied beispielsweise erhalten ebenso wie Alexander Kreins Caprice hébraïque op. 24 durch Bearbeitungen für Violine und Orchester von Albena Vratchanska bzw. Lukas Medlam ein recht geschickt angereichertes, neues klangliches Gewand, durch das sie zu reizvollen „Konzertstücken“ mutieren.
Die Bearbeitung der Prokofjew’schen Ouvertüre über hebräische Themen op. 34 (eigentlich Klarinette, Streichquartett, Klavier) verliert in Alessandro Tardinos Bearbeitung für Klaviertrio demgegenüber zwar an farblicher Vielfalt, gewinnt durch die Reduzierung von sechs auf drei Instrumente aber womöglich an Aufführungshäufigkeit, zum Beispiel in denkbarer konzertanter Verbindung mit Schostakowitschs ebenfalls jüdischem Themenmaterial verpflichteten Klaviertrio op. 67.
Ravels zwei Hebräische Lieder von 1914 in Medlams doch etwas zu basslastiger Bearbeitung für Violine (Kaddish) bzw. Violoncello (L’énigme éternelle) mit Orchester eröffnen die CD und dokumentieren gleich zu Beginn die hohen atmosphärischen Qualitäten der beiden streicherischen Protagonisten. Höhepunkt der CD ist aber womöglich doch ein im Original dargebotenes Stück: die temperamentvolle Fantasie Freilechs von 1919 für Violine und Klavier von Joel Engel, einem in Moskau ausgebildeten Komponisten (1868–1927), der Anfang des 20. Jahrhunderts ebenso wie Achron und Krein Mitglied in der verdienstvollen Petersburger Gesellschaft für jüdische Volksmusik war.
Bei so viel Platz auf der nur 50-minütigen CD hätte man sich noch Ernest Blochs hebräische Fantasie Shelomo in der viel zu selten zu hörenden Cello-Klavier-Fassung gewünscht, eines der wichtigsten Stücke des hier zur Rede stehenden Genres – François Robin, der so eindringlich Bruchs Kol nidrei musiziert, hätte damit vermutlich nicht enttäuscht und der etwas zu sprunghaften, im Fünfminutentakt agierenden Werk- und Besetzungsfolge zu innerer Stabilität verholfen.
Rainer Klaas