Schubert, Franz

The Complete Symphonies No. 1-8

4 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler 93.120
erschienen in: das Orchester 03/2005

Über die Schubert-Kompetenz von Hans Zender dürfte es keine ernsthaften Diskussionen geben. Als Komponist hat er sich mit Schubert nicht nur durch seine interpretierende Bearbeitung der Winterreise einen Namen gemacht, die inzwischen fast ein Repertoirestück geworden ist. Mit seiner Gesamtaufnahme der Schubert-Sinfonien mit dem ihm seit langem verbundenen SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unterstreicht er diese Kompetenz auch als Dirigent auf beeindruckende Weise. Schuberts acht Sinfonien werden in jedem Takt ernst genommen. Was indes keine Ausdrucksüberfrachtung oder ein allzu gewolltes Musizieren zur Folge hätte. Zender lässt sich trotz eher straffer Tempi meist genügend Zeit, die epische Weite der Sinfonien auszukosten. Für Verharmlosung gibt es keinen Raum.
Im Gespräch mit Paul Fiebig, das im sehr lesenswerten Booklet abgedruckt ist, werden die Unterschiede zur Beethoven’schen Sinfonik klargelegt, wobei er den Lösungen Schuberts ebenso hohen ästhetischen Anspruch einräumt wie der Beethoven’schen Konzeption. „Schubert ist die Alternative (zu Beethoven) in dem Sinn, dass geistige Phänomene immer kompensiert werden müssen; er wirkt wie eine Kompensation dessen, was Beethoven an … ja, auch an Wunden geschlagen hat.“
Mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg gelingt Zender, der auch bei Schubert seine analytische Dirigenten-Ader nicht unterdrückt, eine mehr als eindrucksvolle Annäherung. Er agiert transparent und ausgewogen, nie unterkühlt, aber auch in keinem Takt sentimentalisierend. So kommt der Melodiker ebenso wie der Lyriker zu seinem Recht.
Da Zender aber bei allem Wuchernden der Melodiepartikel, aus denen Schubert großformatige Entwicklungen nicht nur bei der großen C-Dur-Sinfonie gestaltet – der Robert Schumann „himmlische Länge wie ein Jean Paul’scher Roman“ attestierte –, die Übersicht behält, fallen die Sinfonien nie auseinander. Das von Zender angesprochene Erbe Mozarts und Haydns kommt bei dieser Aufnahme dank der hervorragenden Bläser des SWR-Orchesters zu seinem Recht, ohne zu sehr in oberflächlicher Brillanz verhaftet zu sein.
Schon Schuberts erste Sinfonie, immerhin für ein schulisches Orchester von höchstens semiprofessionellem Zuschnitt geschrieben, wird von Zender und den SWR-Musikern ohne Scheu ausgekostet. Ebenso wie die gelegentlich fast barockisierende Attitüde des Kopfsatzes der Ersten sind es die fahlen Momente wie bei der Einleitung der c-Moll-Sinfonie D 417 aus dem Jahr 1816, die die Qualität der Aufnahme unterstreichen. Sicher kann man sich die Streicher bei der „Unvollendeten“ etwas weicher, farbreicher vorstellen, aber bei der Großen C-Dur-Sinfonie kann der zupackende, mit kontrollierter Agogik arbeitende Zender sich auch im großen Rund der bedeutenden Konkurrenzaufnahmen des Werks behaupten.
Die klangfarblich etwas differenzierter wirkenden Streicher des Concertgebouw Orchesters Amsterdam in der hervorragenden Gesamtaufnahme unter Niko-laus Harnoncourt (Teldec 4509-91184-2, 4 CDs) verdeutlichen die neben der Aufnahmetechnik einzige kleine Schwäche der Zender-Einspielung. Ganz können die Violinen des Rundfunkorchesters nicht die Qualität der Amsterdamer erreichen, was auch durch die Technik der in verschiedenen Studios aufgenommenen Einspielung Zenders verstärkt wird. Insgesamt ist sie etwas zu kompakt geraten und in der räumlichen Tiefenstaffelung nicht ganz optimal. Dies sind aber nur geringfügige Einwände gegenüber einer sehr gelungenen Gesamteinspielung, bei der sich nie der Eindruck von uninspiriertem Abspulen einstellt, wie sonst bei Gesamtaufnahmen häufig zu erleben.
Walter Schneckenburger