Rachmaninoff, Sergei

The Bells op. 35 / Symphonic Dances op. 45

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil Günter Hänssler PH07028
erschienen in: das Orchester 12/2007 , Seite 85

Vielleicht stört sich heutzutage niemand mehr an den pseudoanglistischen Transkriptions-„Crossovers“ und an dem unnötigen Sprachengewirr in CD-Booklets? Und vielleicht macht es auch keinem Musiker mehr etwas aus, in einem German Sinfonic-Orchestra, for example in Cologne, zu spielen. Mich stört es, und auch das neue Spiel mit der unklaren Schreibweise russischer Namen. Ein „v“ hört sich nicht unbedingt russischer an als ein „w“. Doppelvokale könnte man, wenn man wollte, richtigerweise mit einem „j“ veredeln: „Wanejew“ z.B. statt des unseligen „Vaneev“. Es ist ja schon schwierig genug, im Deutschen einen passenden Vokal zu finden für das russische „b|“. Aber es ist sowohl im Englischen als auch im Deutschen falsch, „Sergej“ hinten mit „i“ zu schreiben. Im Übrigen schreibt man im Englischen „Rakhmaninov“ wie „Khatchaturian“, im Deutschen aber „Chatschaturian“ in der korrekten Transkription. Mittlerweile sprechen viele den Schöpfer des Säbeltanzes mit hartem „k“ aus. Jedem Liebhaber der russischen Sprache stellen sich hier die Nackenhaare auf. Aber vielleicht nur ihm…
Über den Ärger vergesse ich dann fast, die wunderbare Musik zu erwähnen. Semyon Bychkov steht in einer Reihe mit denjenigen Dirigenten, die an die große russische Tradition klangvoller Interpretation, geballter sinfonischer Wucht und schwermütig-brütender Akkuratesse anknüpfen. Da kommt Rachmaninows selten – vermutlich wegen seines triefenden Schwulstes? – eingespieltes Opus maximum Die Glocken op. 35 gerade recht, steht es doch mit seinem orchestralen Riesenapparat in zeitlicher Nähe zu Alexander Skrjabins Prometheus und L’Extase. Es waren dann auch zugleich die letzten Werke mit einem solch aufgeblähten Orchester, bevor nach dem Ersten Weltkrieg zunächst wieder kleineren Besetzungen der Vorzug gegeben wurde.
Ebenso sind die drei russischen Solisten sowie der von Boris Abalyan gegründete Chor exzellent ausgewählt und eingestellt, die stimmfest das viersätzige Werk zu einer kolossalen Geltung bringen. Das WDR Sinfonieorchester besticht trotz der hohen Anforderungen, welche Rachmaninow sowohl in den Glocken als auch in den Symphonischen Tänzen op. 45 an ein Orchester stellt. Die Instrumentalsoli – beispielsweise Englischhorn oder Saxofon – sind durch die digitale Technik in greifbare Nähe gerückt, und nicht nur sie tragen viel zur elegischen Stimmung bei. Wegen der Massigkeit des zahlreich aufgestellten Blechs und dem gut gerüsteten Schlagwerk verschwinden die Streicher manchmal in die klangliche Bedeutungslosigkeit, um dann aber in den zarten Passagen umso leuchtender wiederzukehren.
Werner Bodendorff