Wagner, Richard

Tannhäuser

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Arthaus Musik 101 351
erschienen in: das Orchester 09/2009 , Seite 73

Lange, sehr lange wartet man vergebens auf ein Schlüsselerlebnis, auf irgendeinen großen Moment – sei es musikalischer, sei es szenischer Art –, der das Erscheinen dieser DVD überhaupt erst rechtfertigt. Im dritten Akt ist es schließlich soweit: Elisabeths Gebet „Allmächt’ge Jungfrau“ wird von Camilla Nylund so betörend verinnerlicht gesungen, dass man mit dem sonstigen Mittelmaß dieses Mitschnitts aus dem Festspielhaus Baden-Baden fast schon wieder versöhnt ist. Neben diesem einen Moment ist es vor allem das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter Leitung von Philippe Jordan, das während der ganzen Oper ein hohes Niveau garantiert, klangschön und mit geschicktem Spannungsaufbau sowie überragenden instrumentalen Einzelleistungen.
Auch der Philharmonia Chor Wien macht seine Sache gut, ist aber durch eine wenig vorteilhafte akustische Abmischung gehandicapt. So klingt der Pilgerchor im dritten Akt, selbst wenn er an der Rampe steht, wie aus der Ferne. Regisseur dieser Co-Produktion von Baden-Baden und Amsterdam ist Nikolaus Lehnhoff, eigentlich ein Garant für intelligente, aus dem Werk heraus entwickelte Personenführung. Im Tannhäuser kommen seine Qualitäten aber kaum zur Geltung, was nicht zuletzt auch an dem wenig inspirierenden Einheits-Bühnenbild mit großer Wendeltreppe liegt, in dem die Sänger eher beliebig herumstehen. Da mag der Eindruck im Opernhaus ein anderer gewesen sein, indem langsame Lichtwechsel für mehr Atmosphäre sorgen können, was auf der DVD mit dem häufigen Wechsel von der Totale zur Großaufnahme natürlich nicht dokumentiert werden kann.
Schon der Anfang ist nicht allzu viel versprechend. Der Venusberg hat die erotische Ausstrahlung einer Tiefkühltruhe; sind es in Nylon verhüllte Roboter oder ist es eher ein Embryonen-Ballett, bei dem Beelzebub persönlich mitmischt? Dazu eine Venus mit recht deutlichen Schärfen in der Höhe und ein hier stimmlich überforderter Tannhäuser (Robert Gambill). Erst gegen Ende der in der Pariser Fassung gespielten Szene gelingt es Waltraud Meier eine Spannung aufzubauen; trotzdem wird man das Gefühl nicht los, hier eher eine Kundry als eine Venus zu erleben.
Im zweiten Akt überrascht der Chor mit recht befremdlichen Kostümen (Helme mit Geweih!) und die Wartburg-Gesellschaft sucht ihren Superstar. Hierbei müssen die Bewerber in ein großes Mikrofon aus der Vorkriegszeit singen, was sie zum Glück aber sehr kultiviert tun. Das bereits erwähnte Gebet der Elisabeth im dritten Akt sowie Roman Trekels mit edlem Timbre und starker Ausstrahlung vorgetragene „Lied an den Abendstern“ leitet dann zu einem wenigstens musikalisch versöhnlichen Ende über, zumal sich Robert Gambill in der Romerzählung dann doch beachtlich schlägt.
Eine Dokumentation, in der sich das Leitungsteam und die Sänger der Hauptrollen über das Werk äußern, ist ein willkommener „Bonus“ dieser ansonsten eher „durchwachsenen“ Produktion.
Thomas Lang

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