Strawinsky, Igor

Tango

für Streichquartett, Partitur und Stimmen, bearb. von Wolfgang Birtel

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2010
erschienen in: das Orchester 02/2011 , Seite 72

Denkt man an Tango, so assoziiert der eine oder andere jene noch
zaghaft und vorsichtig erotischen Klassiker wie Ole Guapa, El Choclo oder La Cumparsita von Matos Rodríguez, sieht vielleicht James Bond 007 alias Jean Connery in dem Streifen Sag niemals nie mit seiner Domino alias Kim Basinger auf heißem Parkett tanzen oder denkt an die zahlreichen, manchmal heißblütig-sinnlichen, manchmal rhythmisch exzessiven Tänze des „Tango nuevo“ von Astor Piazzolla.
Doch wie manche Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts war auch Igor Strawinsky diesem Tanz nicht ganz abgeneigt, wie aus dessen Geschichte vom Soldaten aus dem Jahr 1919 hinreichend bekannt ist. Dort leitet im zweiten Teil ein rhythmisch bemerkenswerter Tango einen Walzer und einen Ragtime sowie den „Tanz des Teufels“ ein und reflektierte damit den gerade in der Tanz- und Unterhaltungsmusik sich etablierenden Tango.
In der hier vorliegenden, sauber gedruckten Ausgabe, für welche Wolfgang Birtel als Herausgeber und Arrangeur zeichnet, handelt es sich um einen Tango, der in Bearbeitung für Streichquartett zur Aufführung gebracht werden könnte. 1940, ein Jahr, nachdem sich Strawinsky in den USA niedergelassen hatte, komponierte er dort, angeblich als erstes Werk, „einen Tango für Klavier“, so der Arrangeur in seinem kurzen Vorwort, „den er 1953 auch für Kammermusikensemble (mit 19 Instrumenten) bearbeitete“. Er sei formal streng und dreiteilig (aber durchaus auch als zweiteilig interpretierbar), worüber „Strawinsky seine Harmonik, seine Muttersprache stülpte“.
Und so bearbeitete Wolfgang Birtel aus der Klavierfassung heraus mit Berücksichtigung der späteren Umarbeitung diesen hübschen Tango eben für diese Besetzung mit vier Streichern. Nach seinem Wunsch böte sich dieses gerade mal aus 72 Takten bestehende, vergnügliche und vom Charakter her freundliche, sowohl unterhaltsame als auch anspruchsvolle Stückchen im „Tempo di Tango“ als ideale Ergänzung, beispielsweise als Zugabe, für ein klassisches Konzertprogramm an. Es sei aber ebenso wegen der geringen technischen Probleme geeignet für das heimische Musizieren, worauf mit Nachdruck hingewiesen wird. Der Tango endet mit denselben acht Takten, mit denen er begann: klassisch, pointiert, witzig, mit einem arttypischen, musikalischen Aperçu im letzten Takt. Einzig die wunderbare Empfindung für einen klassischen Tango mit seinen lasziven Synkopen und Überbindungen müssen die vier Interpreten dann schon selbst mitbringen…
Die Stimmen sind in gewohnt bester Schott-Qualität gedruckt und wegen der prägnanten Kürze des Tangos ohne große Schwierigkeiten zu lesen, mit ausreichend Platz zwischen den einzelnen Notenzeilen.
Werner Bodendorff