Syrens, Enchanters and Fairies

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Dorian DOR-93251
erschienen in: das Orchester 04/2008 , Seite 63

Shakespeares Sommernachtsträume haben nicht nur Literaten beflügelt, sondern auch Musiker. Im 18. Jahrhundert entfaltete sich in den Londoner Theatern eine Tradition von Shakespeare-Aufführungen mit ausgiebigen Bühnenmusiken von Hauskomponisten. Dafür gibt es hörenswerte Beispiele aus der Händel-Nachfolge, die unter dem Motto „Sirenen und Zaubereien“ bei Dorian herausgebracht worden sind. Unter den vier Komponisten, die hier ausgewählt wurden, sind John Christopher Smith und Thomas Augustine Arne mit je drei Ouvertüren vertreten.
Smith wurde 1712 als Johann Christoph Schmidt in Ansbach geboren und folgte seinem Vater nach London, der im Dienste Händels dessen wichtigster Kopist war. Das musikalische Talent des Sohnes wurde durch Händel und Pepusch gefördert. Zwei seiner Opern basieren auf Shakespeare-Werken, die den Titel dieser CD mitbestimmten: The Fairies und The Tempest. Sie hielten sich zwar nicht lang auf der Opernbühne, doch ihre Ouvertüren gehörten bald zum festen Bestand der Konzerte in den Vauxhall Gardens. Die Anglisierung seines Namens zu John Christopher Smith folgte auf dem Fuß. Ein weiterer Komponist dieses Genres, Thomas Alexander Erskine, ein schottischer Aristokrat, war Violinist in Mannheim und Kompositionsschüler von Johann Stamitz. Er wurde in seiner Heimat als der bedeutendste schottische Komponist gefeiert. Die Karriere John Abraham Fishers begann mit Erfolgen als Violinvirtuose. In den 1770er Jahren übernahm er die Leitung des Vauxhall Garden Orchesters. Gemäß dem erfreulich informativen Booklet von Paul F. Rice war Thomas Arne der populärste unter den hier vertretenen Komponisten. The Scott Gavotte in der Ouvertüre zu Thomas and Sally wurde ein richtiger Schlager.
Wer immer sich dieser Musik annimmt und sogar auf einer CD präsentiert, muss viel Einblick in dieses Genre haben und noch mehr Interpretationsideen, um den 24 Sätzen dieser acht Ouvertüren aus autochthonem Geist eigenständige Facetten abzugewinnen. Die Dirigentin, Mary Thérey-Smith, kann das. Sie ist Absolventin der Liszt Ferenc Academy, studierte Komposition bei Zoltán Kodály und war als promovierte Musikwissenschaftlerin und Gründerin des Collegium Musicum an der Western Washington University tätig. Sie zeigt in vielen Details, wie man scheinbar Ähnliches durch Tempo, Besetzung oder Dynamik durchaus individuell gestalten kann. Das sorgt etwa durch Reduktion der Instrumente in den zumeist kammermusikalisch angelegten tänzerischen Teilen oder durch Beachtung der Gewichtung von Dux und Comes in den Fugen für Abwechslung und Differenzierung. Bei dieser Professionalität erweist sich das einzige Grave (in Fishers Syrens) tatsächlich als der schwerblütigste von allen Sätzen. Die Bezeichnung Capella Savaria geht auf die römische Ortsbezeichnung Szombathely zurück, wo das Orchester beheimatet und für Rundfunk und Fernsehen tätig ist.
Alfred Planyavsky