Pejacevic, Dora
Symphony / Phantasie Concertante
Dass das Label cpo mit seiner Lust und seinem Gespür, Vergessenem und Übersehenem erneute Aufmerksamkeit und die Rückkehr ins Musikleben zu ermöglichen, immer wieder für Überraschung sorgt, ist oft angemerkt und gewürdigt geworden. Jetzt verblüfft uns die Begegnung mit einer Gräfin, die komponiert hat. Nur 38 Jahre alt ist sie geworden. Doch 57 Werke (vier davon für Orchester, außerdem Lieder, Klavierstücke und Kammermusik) markieren einen beachtlichen Schaffensweg, und ihr Aufbruch aus dem Salon in die großen Konzertsäle verhalf auch der Musik Kroatiens zu europäischer Bekanntheit. Den eigenen kreativen Beitrag dazu leistete sie mit dem Klavierkonzert g‑Moll (1913), dem ersten modernen Stück dieser Gattung in ihrem Heimatland, und mit ihrer Sinfonie, die ebenfalls eine Vorreiterrolle einnimmt.
Dora Pejacevic heißt die uns bislang Unbekannte. Sie wurde am 10. September 1885 in Budapest geboren und starb am 5. März 1923 in München. Schloss Naice in Slowenien und die kroatische Hauptstadt Zagreb waren Orte ihrer frühen Musikerlebnisse und Kunstbegegnungen, später wurden Dresden und München zu Stätten professioneller Unterweisungen. Bald machte die junge Adlige mit ihren Kompositionen von sich reden; sie stand aber auch als vorzügliche Geigerin und Pianistin auf dem Podium und widmete sich der Aufführung eigener Werke.
Diese sind oft noch vom Klangzauber der späten Romantik und von den vitalen Rhythmen und elegischen Weisen der Folklore geprägt mittels fantasievoller Farbkunst und kühner Harmonik stellt sich jedoch zunehmend ein neuer, individueller Ton ein. Die große, 1920 in Dresden uraufgeführt Sinfonie fis-Moll, von der Oscar Nedbal bereits 1918 in Wien zwei Sätze vorgestellt hatte, begegnet den Forderungen der Gattung mit der Freiheit der Gestaltung. Stringenz der Themenentfaltung und der sinfonischen Erzählweise findet man da weniger, stattdessen tauchen viele berückende Nebenschauplätze, wunderbare Stimmungsbilder und liebliche Idyllen im Fluss der Musik auf. Die leichthändig gestreuten pathetischen, balladesken, beschwingten und kraftvollen Einfälle bleiben aber allesamt Bestandteile einer zyklischen Einheit, der das Dies-Irae-artige Kernmotiv der Einleitung als Material, Wegweiser und Wendemarke dient.
Solche Geschlossenheit kehrt danach in der virtuos aufgeladenen, klangprächtigen Konzertanten Fantasie für Klavier und Orchester d‑Moll (1919) mittels Komprimierung von Form, Textur und Wechselspiel als Einsätzigkeit wieder. Zum Erfolg der spektakulären Plattenpremiere, die den Auftakt für eine CD-Serie mit Werken von Dora Pejacevic bildet, tragen die hervorragenden Interpreten engagiert bei nicht zum ersten Mal beweisen sie bei solchen Raritäten und Raffinessen mit brillantem Spiel, süffigem Sound und filigranen Farben ihre Klasse.
Eberhard Kneipel