Zygmunt Noskowski

Symphony Nr. 1 / Symphony Nr. 2 „Elegiac“

Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Ltg. Antoni Wit

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Capriccio
erschienen in: das Orchester 01/2024 , Seite 67

Im deutschsprachigen Raum noch weniger bekannt als sein Lehrer Stanisław Moniuszko oder sein erfolgreichster Schüler Karol Szymanowski ist der polnische Komponist Zygmunt Noskowski (1846–1909).
Nun erschien diese neue CD mit den ersten beiden seiner insgesamt drei Sinfonien. Sie bieten eine gute Einführung in seine künstlerische Persönlichkeit und markieren zugleich eine Schlüsselstelle der deutsch-polnischen Musikbeziehungen. Seine dreiviertelstündige und überwiegend heitere Sinfonie Nr. 1 A-Dur komponierte Noskowski 1874/75 – also vor fast 150 Jahren – als Abschlussarbeit seines Zweitstudiums an der Preußischen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin. Sein Kompositionslehrer dort war der renommierte Friedrich Kiel. Nachdem Noskowski seine Studien abgeschlossen hatte, kehrte er kurz nach Warschau zurück – lange genug, um seine Erste dort aufzuführen und seine zukünftige Frau kennenzulernen, aber nicht lange genug, um eine passende Arbeitsstelle zu finden. Also begab er sich abermals nach Deutschland, wo er auf Empfehlung von Kiel eine Position als Chorleiter in Konstanz bekam, die er die nächsten sechs Jahre innehatte. Am Bodensee machte Noskowski unter anderen die Bekanntschaft von Franz Liszt, der einige Werke des jungen Kollegen zur Aufführung brachte und erfolgreich Verlegern empfahl.
Das Finale von Noskowskis Erster enthält ein feines Fugato. Sehr viel dramatischer wirkt seine von 1875 bis 1879 entstandene Sinfonie Nr. 2 c-Moll Elegische, die am Beginn dieser Einspielung steht. Ihre gleichfalls vier Sätze tragen im Autograf Überschriften, die von der zaristischen Zensur niemals genehmigt worden wären: „Die Nation in Knechtschaft“, „Hoffnung und Ruf zu den Waffen“, „Elegie auf die gefallenen Helden“ und „Per aspera ad astra!“. In seinen ersten beiden Sinfonien zeigt Noskowski verschiedenste Einflüsse von der polnischen Volksmusik über Robert Schumann und Johannes Brahms bis zu der zukünftigen polnischen Nationalhymne, zugleich aber auch eine sich rasant entwickelnde Individualität.
Antoni Wit gilt seit Langem als Spezialist und Anwalt für polnische Orchesterwerke. 94 Jahre nach Noskowski wurde auch er Chefdirigent der Warschauer Nationalphilharmonie. Auf der CD dirigiert er sehr energisch, wohl um dieser Musik ihre kleinen Schwächen und ihr Pathos auszutreiben. Schade nur, dass er zumindest in der Zweiten etwas zu viel des Guten tut. Das hält die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz aber kaum von wohlklingender Spielfreude ab, auch nicht die zumindest bei der Zweiten etwas topfig wirkende Akustik der Philharmonie Ludwigshafen. Die Erste kommt dann erfreulich ausgeglichen herüber, auch mit großartigen Soli etwa von Oboe und Pauke. Es muss nicht immer Dvořák sein!
Ingo Hoddick