Dvorák, Antonín

Symphony No. 9 “From the New World” / American Suite

Bamberger Symphoniker, Ltg. Robin Ticciati

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Tudor 7194
erschienen in: das Orchester 12/2015 , Seite 79

Endlich mal eine Neueinspielung, die vom ersten Ton an gefangen nimmt. Der 32-jährige britische Dirigent Robin Ticciati, Chef der Glyndebourne Festival Opera, haucht Antonín Dvoráks Neunter auf seiner bereits dritten CD mit den Bamberger Symphonikern (dort ist er erster Gastdirigent) neues Binnenleben ein. Schön, dass es Nachwuchs-Dirigenten gibt, die nicht à la Dudamel mit zwar glutvollen, aber oft al-fresco-lastigen Interpretationen Klassik zum Event degradieren. Beim Echo-Preisträger Ticciati, einem Ziehkind von Simon Rattle und Colin Davis, ist das anders. Hier ist nur seine Frisur wild. Ansonsten kennzeichnet sein Dirigat eine bemerkenswerte Reife, die er kraftvollen Abschnitten gegenüberstellt. Einnehmend ist vor allem die Flexibilität und Musikalität, mit der gespielt wird. Jeder Phrase wird Leben eingehaucht, mit Rubati und Echo-Effekten gespielt, feine Gegenstimmen herausgearbeitet. Das alles wirkt sehr natürlich empfunden und nie aufgesetzt.
Freilich kommen Ticciati die hervorragend aufgelegten Bamberger Symphoniker entgegen, für die das Werk spürbar eine Herzensangelegenheit ist. Der warme, runde und mild ausbalancierte Klang des Orchesters unterstreicht die „böhmische“ Tradition. Die Holzbläser sind wunderbar weich integriert, was etwa bei den Solopassagen der ersten Flöte zum Tragen kommt. Aber auch das berühmte Englischhorn-Solo im sehr langsam gespielten zweiten Satz ist sanft in die Streicher eingebunden und flüstert in trauter Union mit den Klarinetten. An vielen Stellen horcht man gleich doppelt hin, sind sie doch so schön und durchdacht gestaltet. Natürlich formt Ticciati auch die lauteren Stellen markant heraus, baut Crescendi behutsam auf. Echt musikantisch das hochgezogene Portamento der Violinen in der letzten Terz des zweiten Themas im Kopfsatz-Allegro. Der „Dorfmusikant“ Dvorák lugt hier kurz um die Ecke.
Insgesamt gelingt es dem jungen Dirigenten und den Bamberger Symphonikern, eine altbekannte Partitur neu zu durchdenken und dabei das lyrische Element hervorzukehren. So nah an Schubert, so wenig auf Brillanz gebürstet hört man den Böhmen selten.
Eine willkommene Zugabe ist die nicht häufig aufgeführte Amerikanische Suite op. 98b, die in enger Nachbarschaft zur neunten Symphonie entstand und ebenfalls folkloristische Themen „aus der neuen Welt“ aufgreift. Dvorák lebte bekanntlich zeitweise dort und sollte im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine „amerikanische Nationalmusik“ kreieren. Auch die fünfteilige Suite wird äußerst charmant präsentiert, durchsichtig im Klangbild und mit Spielfreude.
Diese Einspielung wird sich langfristig Freunde erwerben. Die Bamberger und Ticciati setzen sich mit Dvoráks Neunter sogar gegen eine starke Konkurrenz durch. Toll.
Matthias Corvin