Bruckner, Anton

Symphony No. 8

in C minor, Staatskapelle Berlin, Ltg. Daniel Barenboim

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Accentus music / Unitel Classica ACC202178
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 85

Im Juni 2010 konnte das Publikum in der Berliner Philharmonie einen fulminanten Bruckner-Marathon erleben. Innerhalb von nur acht Tagen führte Daniel Barenboim mit seiner Staatskapelle die letzten sechs Sinfonien (Nr. 4 bis 9) des österreichischen Romantikers auf. Bei dem DVD-Label Accentus music sind die Konzerte inzwischen als Live-Aufnahmen
erschienen.
Die monumentale Achte, von Bruckners Zeitgenossen als „Krone der Musik des 19. Jahrhunderts“ gefeiert, ist die letzte vom Komponisten vollendete Sinfonie und mit etwa 80 Minuten Spieldauer zudem sein längstes Werk neben der Fünften. Barenboim benutzt die 1939 erschienene Ausgabe von Robert Haas, eine Mischform aus der Originalpartitur von 1887 und der von Bruckner 1890 abgeschlossenen zweiten Werkfassung.
Durch seinen entschlossenen, energischen Zugriff auf das Werk lässt Barenboim mit dem hervorragend auf ihn eingestellten Orchester ein Klanggebäude von großer innerer Spannung entstehen. Die Streicher zeigen sich in bester Verfassung, und die Bläser überzeugen bei dramatischen Steigerungen des Blechs ebenso wie bei leisen Passagen – wie etwa den klagenden Soli von Oboe und Klarinette gleich im ersten Satz „Allegro moderato“. In einem Brief an den Dirigenten Felix Weingartner sprach Bruckner selbst in Bezug auf den Kopfsatz von einer „Todesverkündigung, die immer sporadisch stärker endlich sehr stark auftritt, am Schluss: die Ergebung“. Klang der Satz in der ursprünglichen ersten Fassung noch kräftig im Fortissimo aus, so erstirbt er hier allmählich im Pianissimo.
Anders als in den meisten klassischen Sinfonien stellte Bruckner in der Mitte der Achten sein forsches, unruhiges Scherzo, dessen Tempo sich im abschließenden Trio verlangsamt, vor das Adagio, das unüblich lang ist. Dieser wohl mysteriöseste und eindrücklichste Satz dieses Werks weist viele Steigerungsmomente auf. Zum warmen, kompakten Ton der Streicher kommen Holzbläser, Hörner und Tuben mit reichen Nuancen hinzu. Im langen Finale, das eine Vielzahl von Melodien, Themen und Motiven bietet, hält Barenboim die immer wieder kräftig hervortretenden Blechbläser in einer spannungsvollen Balance zu den übrigen Instrumenten.
Das Ergebnis ist eine äußerst hörenswerte Aufnahme, die Bruckners Sinfonie in einem differenzierten, farbenreichen Gesamtklang erstehen lässt. Das Publikum in der Philharmonie dankte allen Beteiligten mit stürmischem Applaus und stehenden Ovationen. Unter ihrem langjährigen Chefdirigenten zeigt sich die Staatskapelle Berlin hier als Spitzenorchester, das internationale Vergleiche nicht scheuen muss.
Corina Kolbe