Bruckner, Anton

Symphony No. 7 in E major

Rubrik: CDs
Verlag/Label: PentaTone classics PTC 5186 370
erschienen in: das Orchester 11/2011 , Seite 73

Ein Sonnyboy des Musikbetriebs ist Marek Janowski nie gewesen. Als akribischer, ja pedantischer Orchesterarbeiter wird der gebürtige Warschauer immer wieder beschrieben – einer, der zahlreiche Stationen durchlaufen und immer wieder rasch gewechselt hat, wenn der Stil des jeweiligen Hauses nicht mehr mit dem seinen übereinstimmte. Doch aus dem Unbequemen ist mittlerweile ein großer Alter geworden, einer, der unermüdlich seit einigen Jahren zugleich als Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin und des Schweizer Orchestre de la Suisse Romande agiert. Manche seiner Aufnahmen haben mittlerweile fast Kultstatus; schon wird er mit Günter Wand verglichen.
Gerade bei den Klassikern und Romantikern scheint Janowski, Jahrgang 1939, genau der Richtige zu sein, um die Ohren der Zuhörer neu für das Altbekannte zu öffnen. Das gilt jedenfalls für die aktuelle Einspielung von Bruckners beliebter 7. Sinfonie mit dem Orchestre de la Suisse Romande. Die Sinfonien 5, 6, 8 und 9 hat er bereits mit dem Genfer Klangkörper aufgenommen. Die sind ja per se allesamt problematischer, stärker von Brüchen gezeichnet als die Siebte.
Zumindest für Letztere kann man sich aber kaum eine überzeugendere Lesart vorstellen als die hier vorliegende, die fabelhaft geleitet und wie aus einem Guss gespielt wird. Die Arbeit an den Klangfarben, an Nuancen der Dynamik und zartesten Übergängen erinnert daran, dass Janowski einst mit der Dresdner Staatskapelle einen legendären Ring eingespielt hat. Schillernder Mischklang, den andere Dirigenten bei Bruckner systematisch ausblenden, führt diese Sinfonie in die Nähe Wagners, der längst nicht nur im herrlichen Trauerchoral des zweiten Satzes präsent ist.
Zugleich arten Rubato und fließende Übergänge niemals aus, alles geschieht mit Maß und Verstand, ohne manieristische Dehnungen und falsches Pathos. Steigerungen platziert Janowski wirkungsvoll, lässt aber ge-
rade die Schlüsse nicht in die Apotheose entgleiten – und achtet stets auf stimmliche Transparenz.
Über den Klangkörper, der ihm dabei zur Verfügung steht, kann man nur staunen: Ein seidiger, samtener Streicherklang zeichnet dieses
Orchestre de la Suisse Romande aus, agile Holzbläser und ein makelloses Blech, wie es auch in Wien oder Berlin kaum besser zu finden sein dürfte. Wer sich live davon überzeugen möchte: Am 18. Januar 2012 steht Bruckners Vierte in Genf auf dem Programm, am 1. Juni die Dritte.
Spannend: 2012 gibt Janowski den Dirigentenstab beim Orchestre de la Suisse Romande weiter, aber nicht etwa an einen jungen Wilden. Sein Nachfolger wird Neeme Järvi, Jahrgang 1937. Man muss kein Prophet sein für die Annahme, dass die Genfer auch mit dieser Wahl nicht ganz falsch liegen werden.
Johannes Killyen