Hovhaness, Alan

Symphony No. 60 / Guitar Concerto / Khrimian Hairig

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naxos 8.559294
erschienen in: das Orchester 07-08/2007 , Seite 81

„Ich will keine Musik für Snobs schreiben, sondern für alle Menschen – eine schöne und heilsame Musik, um mit Melodie und Klang zu erreichen, was die altchinesischen Maler als ,geistige Resonanz‘ bezeichneten.“ Es geht um drei kaum bekannte Orchesterwerke des nach wie vor weithin unterschätzten Amerikaners Alan Hovhaness (1911-2000). Seine Musik ist mehr modal als tonal, mit mehr variierenden Wiederholungen als eigentlichen thematischen Entwicklungen, vertieft durch komplexe Rhythmen nach Art der indischen tâla oder auch westeuropäischer Isorhythmik.
Auf dieser neuen Niedrigpreis-CD hören wir als erstes sein Khrimian Hairig für Trompete und Streicher op. 49 (1944/48), inspiriert durch den gleichnamigen armenischen Priester und Nationalhelden. In den Worten des Komponisten ist das schlichte, achtminütige Werk „ein melismatischer Hymnus der Erbauer des Tempels, der dem Klang der Trompete, dem Kantor oder Boten, folgt“.
Es folgen die Ersteinspielungen zweier gut halbstündiger Kompositionen. Sein Gitarrenkonzert op. 325 widmete Hovhaness 1979 dem aus Bolivien stammenden Gitarristen Juan Calderon – wohl eines der wenigen Gitarrenkonzerte, das idiomatisch neben dem beliebten Concierto de Aranjuez von Joaquín Rodrigo bestehen kann, nicht nur weil der langsame Mittelsatz dieses virtuos-romantischen Werks ebenfalls mit einem verträumten Englischhorn-Solo anhebt. Das Konzert kommt aber keineswegs spanisch daher, sondern amerikanisch-armenisch-japanisch. Flacher in der Substanz erscheint Hovhaness’ fast minimalistische Sinfonie Nr. 60 (!) To the Appalachian Mountains op. 396 (1985) – wobei man auch hier noch seine außerordentliche Fähigkeit erkennen kann, einstimmige Traditionen in mehrstimmige Texturen zu überführen, die Khrimian Hairig wirklich zu einem kleinen Meisterwerk machten.
Gewiss, solche Ästhetik gerät leicht in die Nähe jener Grenze, wo es beliebig, gefällig oder gar kitschig wird. Ganz sicher aber nicht beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Abgesehen von ein paar „Drückern“ in der Sinfonie scheint die Musik hier vollkommen in ihrem kühlen Glanz zu ruhen. Von zarten Soli (wie dem von Lars Ranch in Khrimian Hairig) bis zu kathedralhaften Tutti reicht die Palette. Auch der New Yorker Gitarrist David Leisner spielt sehr sauber, sanglich und souverän. Mit dem amerikanischen Dirigenten (und Hovhaness-Apostel) Gerard Schwarz bildet das RSB schon seit einiger Zeit ein Dreamteam, wenn es um kaum bekannte Werke geht. Trennschärfe und Enthusiasmus sind die Markenzeichen ihrer Interpretationen. Da die Aufnahmen vom Deutschlandradio Kultur aus der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem (natürlich nicht „Dalheim“, wie es auf der CD-Hülle steht!) auch klangtechnisch kaum Wünsche offen lassen, sei diese Silberscheibe letztlich herzlich empfohlen.
Ingo Hoddick