Bruckner, Anton
Symphony No. 5 in B flat major
1 DVD und Blu-ray
Erst in diesem Jahr erschien auf DVD und Blu-ray der Livemitschnitt eines Konzerts mit Anton Bruckners fünfter Symphonie B-Dur WAB 105, welche die Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim bereits am 21. Juni 2010 in der ausverkauften Philharmonie zu Berlin aufgeführt hatte.
Monumental und überdimensioniert war das zwischen 1875 und 1876 komponierte, mit kleineren Nachfolge-Änderungen ergänzte Werk an diesem Tag mit 69 Streichern, 16 Holz-, 23 Blechbläsern und ebenso doppelt besetzten Pauken, also mit insgesamt 110 Instrumentalisten, mehr als ausreichend besetzt. Allerdings reichten dafür die Planstellen nicht ganz aus, sodass einige Gäste zu diesem Ereignis eingeladen wurden. Bruckner selbst wäre ob dieser Besetzung wohl vor Neid erblasst, hatte er selbst seine fünfte Symphonie nur in einer minimalistischen Fassung mit zwei Klavieren gehört. Doch war diese doppelte Großbesetzung für die mächtigen Tuttistellen wirklich nötig und im Sinne Bruckners? Er sah gerademal insgesamt 19 Bläser vor. Wenigstens fürs Auge, das auf der DVD staunend mithört, ist es sicherlich ein Fest.
Daniel Barenboim hat die Partitur im Kopf und dirigiert mit großen Gesten auswendig. Den Kopfsatz beginnt er in aufmerksamer Ruhe mit den Gegensätzen von Adagio und Allegro, auch wenn ihm Kleinigkeiten wie das Ritardando in Takt 115 nicht ganz so wichtig erscheinen. Dabei greifen die Tutti mächtig Raum, um die empfindlichen Pianissimo-Passagen um so polarer wirken zu lassen. Schön auch, wie die Kameras die einzelnen Soli (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn) sowie die einzelnen Instrumentenregister zeigen, die Bruckner blockweise in der Komposition eingesetzt hat.
Im langsamen Satz sieht man sich indes in einem ICE sitzen, der ohne Halt durch die Brucknersche Landschaft rast. Bruckner notierte einst im Autograf Sehr langsam, ab Takt 163 sogar wie im Allabreve-Takt, jedoch langsamer. Also kein Grund, durch die Partitur zu hetzen. Blickt man zum Vergleich auf andere Dirigenten, fällt schon auf, dass Barenboim den Schmelz der sahnigen Melodik nicht auskostet. War die Vorgabe der begrenzten DVD ein Grund? Ein Blick auf die Spieldauer zeigt lediglich etwa 14 Minuten. Bruckner-Experte Eugen Jochum benötigte beispielsweise sonnenbeschienene 19, Herbert von Karajan gar beinahe feinschmeckerverwöhnte 22 Minuten. Auch die Gesamtspieldauer ist mit 71 Minuten wahrlich kurz geraten, obwohl der Verfasser des Booklets, Detlef Giese, sich die Spieldauer der Sinfonie an sich ebenso mit 80 Minuten erhoffte.
Bruckner sehr nahe kommt Barenboim kurioserweise erst so richtig ab dem Scherzo mit dem sehr gelungenen und schön österreichischen Trio. Nicht unbedingt wegen des Tempos, sondern vom eher gemütlichen Charakter her, der diesem Satz die nötige Atmosphäre gibt. Großartig nicht wegen der Überbesetzung schließlich das kontrapunktische Meisterfinale mit sämtlichen Themen, die Bruckner im Choral mit dreifachem Fortissimo kulminieren lässt. Kleinere Unstimmigkeiten im Blech fallen kaum ins Gewicht.
Werner Bodendorff