Klughardt, August

Symphony No. 4 / Drei Stücke

Anhaltische Philharmonie Dessau, Ltg. Antony Hermus

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 777 740-2
erschienen in: das Orchester 12/2015 , Seite 81

Bis vor wenigen Jahren war der in Bachs zeitweiliger Wirkungsstätte Köthen geborene Andreas Klughardt (1847-1902) wohl den wenigsten bekannt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkte er als Kapellmeister an verschiedenen Theatern im Osten Deutschlands, so im damals zu Preußen gehörenden Posen, in Neustrelitz oder Lübeck. In Weimar lernte Klughardt 1869 Franz Liszt kennen, der seine Musik stark beeinflusste. Nun blieb er den „Neudeutschen“ einschließlich Richard Wagner verpflichtet, dirigierte etwa dessen Ring des Nibelungen in Dessau, wo er aufwuchs und die letzten zwanzig Jahre seines Lebens als Hofkapellmeister wirkte. Mit einem Bein blieb er allerdings der Tradition verhaftet. So hinterließ er fünf Sinfonien und auch Kammermusik. Unter seinen Programmouvertüren findet sich eine patriotische Siegesouvertüre Die Wacht am Rhein (1871), verfasst unmittelbar nach dem Deutsch-Französischen Krieg.
Ehrensache für die Anhaltische Philharmonie Dessau, dem einmal dort wirkenden Klughardt mit einer Edition ein bleibendes Denkmal zu setzen. 2009 legte das Orchester unter Golo Berg beim Label cpo den Grundstein zu einer Einspielung wichtiger Orchesterwerke. Nach der dritten Sinfonie und dem Violinkonzert op. 68 folgte 2012 unter dem neuen niederländischen Chefdirigenten Antony Hermus eine Einspielung der fünften Sinfonie in c-Moll. Auf der aktuellen dritten CD finden sich nun die vierte Sinfonie – wie die fünfte in c-Moll – sowie die Drei Stücke op. 87.
Anders als die „Schicksalstonart“ von Beethoven oder Johannes Brahms interpretiert wurde, setzt Klughardt bereits im Kopfsatz auf den elegischen Klangcharakter des Tongeschlechts. Der Komponist hegt eine Vorliebe für kantabel ausgebreitete Themen, die in einen lebendigen und kontrapunktischen Orchestersatz gebettet werden. Beachtet man das Entstehungsjahr 1890, ist man erstaunt über den gelehrten und „gesunden“ Ton. Von der extrovertierten Spätromantik eines Richard Strauss oder Gustav Mahler ist die Musik weit entfernt. Alles klingt sehr abgeklärt.
Fanfarenhafte Aufschwünge erinnern vielleicht an Wagners Meistersinger. Doch der hymnische, schlicht-sakrale Ton zu Beginn des Andante cantabile zeigt, dass Klughardt mit einer sehr eigenen Handschrift arbeitete.
Mischt bereits diese sogar 1893 in New York aufgeführte vierte Sinfonie bis zum triumphalen C-Dur-Schluss Intellekt mit romantischer Wärme, sind auch die beigegebenen Drei Stücke (das erste mit schönem Harfen-Auftritt) festlichen Charakters und einfach gut komponiert. Die Musiker aus Dessau servieren das alles tonschön und kontrolliert in der Tempogestaltung. Interpretatorisch findet man also die goldene Mitte. Die Aufnahmen wurden bereits 2011 im Katharina-Saal der Stadthalle Zerbst gemacht, aber erst vier Jahre später publiziert – pünktlich zum Weggang von Antony Hermus aus Dessau. Jetzt fehlen noch die beiden ersten Sinfonien; die Klughardt-Edition ist bereits jetzt eine willkommene Bereicherung des Katalogs.
Matthias Corvin