Röntgen, Julius
Symphony No. 3 / Suite “Aus Jotunheim”
Einfach war es bislang nicht, den niederländischen Komponisten Julius Röntgen kennen zu lernen. Die gängigen Musiklexika und Konzertführer verweigern die Auskunft. Und die Plattenlabels haben auch nur wenig anzubieten. Obwohl über 650 Werke existieren
Jetzt freilich ändert sich die Situation offensichtlich grundlegend! Röntgens 75. Todestag im Jahr 2007 mag dafür ebenso den Anstoß gegeben haben wie wichtige Notenfunde in britischen und niederländischen Archiven. Eine umfangreiche Biografie mit dem Titel Gaudeamus ist angekündigt. Und cpo, das Label mit den zahlreichen Entdeckungen und Überraschungen, hat den Ehrgeiz, eine groß angelegte Julius-Röntgen-Edition aufzulegen. Deren erste CD stellt zwei der markantesten Orchesterwerke Julius Röntgens vor.
Geboren wurde er 1855 in Leipzig. Hier war sein Vater Konzertmeister im Gewandhausorchester. Zu komponieren begann das Wunderkind bereits als Neunjähriger. Privaten Unterricht erhielt er von Moritz Hauptmann, Carl Reinecke und Franz Lachner. Und Röntgen war gerade zwanzig Jahre alt, als er hartnäckig an seiner f-Moll-Sinfonie zu arbeiten begann, die er 1877 sogar mit dem Gewandhausorchester probieren konnte. Im Jahr darauf ging er jedoch nach Amsterdam dort winkten ihm vielfältige berufliche Chancen. Als Dozent und Interpret leistete er Wesentliches für die Entwicklung des Musiklebens in Holland an der Königlichen Musikschule wie am neu errichteten Concertgebouw , und er legte mehrere Sammelbände mit Volksliedern an. Vor seinem Tod im Jahr 1932 hatte Röntgen noch New York besucht und sich an Gershwins Rhapsody in blue begeistern können; der Bogen musikalischer Einflüsse auf sein Schaffen reicht von der Volksmusik über Grieg bis zum Jazz.
Als schönes Zeugnis seiner Freundschaft mit dem Norweger präsentiert sich die stimmungsvoll-gefällige Suite Aus Jotunheim mit inniger Melodik, kontrastreichen Tanz-Szenen, zarten elegischen Schattierungen und einem rhapsodischen Finale. Röntgen hat dieses liebevoll empfundene und raffiniert gefärbte Werk dem Ehepaar Grieg 1892 zum 25. Hochzeitstag gewidmet. Die 3. Sinfonie c-Moll (1910) mit ihrer imposanten Viersätzigkeit und ihrer beherzten und optimistischen musikalischen Sprache wurde gleich nach der Uraufführung zu einem der bekanntesten und meistgespielten Stücke des Komponisten. Mehr balladesker Bilderbogen als ambitioniertes Ideendrama, nimmt sie durch charaktervolle Themen und deren einfallsreiche kontrapunktische Verarbeitung, durch farbige Instrumentation und lebendige Ausdrucksvielfalt für sich ein. Traditionelle Form und originelles Kolorit erschaffen ein Stück, das durch Individualität und Kunstfertigkeit beeindruckt. Beide Werke stellen der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und dem Holländer David Porcelijn am Pult anspruchsvolle und dankbare Aufgaben. Sie werden überzeugend gelöst: Die Platte hält die farbenprächtige Aufnahme einer Interpretation fest, die den Bildern der alten Niederländer an Üppigkeit und Schönheit nicht nachsteht!
Eberhard Kneipel