Antheil, George
Symphony No 3 “American” / Tom Sawyer / Hot-Time Dance / McKonkey’s Ferry / Capital of the World
In die Musikgeschichte eingegangen ist George Antheil als eben jener Bad Boy of Music, als den er sich im Titel seiner Autobiografie beschreibt. Fast scheint es, als ob er nach seinen wilden Jahren in Europa und dem spektakulären Ballet mécanique (1925) nichts mehr von Gewicht komponiert hätte. So gilt es einen Großteil seiner Musik erst noch zu entdecken.
Dabei hat sich um die Entdeckung seiner Orchestermusik, speziell der Sinfonien, das Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt unter seinem amerikanischen Chefdirigenten Hugh Wolff verdient gemacht, das nun bereits seine dritte, schon eine gewisse Routine verratende CD mit Orchesterwerken Antheils vorlegt. Sie koppelt drei folkloristisch kolorierte Werke die ihrem Sujet entsprechend spanisch eingefärbte Suite aus dem Ballett The Capital of the World (1953), die amerikanisch-folkloristisch getönte Symphony Nr. 3 (1936-39, rev. 1946) und die spritzig-vergnügliche Ouvertüre Tom Sawyer (1949) mit einer weiteren Ouvertüre, McKonkeys Ferry (1948), die sich auf ein Ereignis aus der amerikanischen Geschichte bezieht, und dem chaplinesken Hot-Time Dance (1948).
Die dritte Sinfonie trägt den Untertitel American. Wie überhaupt die amerikanische Kunst jener Zeit scheint sich auch Antheil hier dem Regionalen zuzuwenden. Als er 1936 mit der Arbeit an der Sinfonie begann, hatte er gerade auf einer Reise das eigene Land (und dessen Musik) erkundet. Gleichzeitig ist er aber auch entschlossen, sich als ein seriöser, die Tradition fortführender Komponist weiterzuentwickeln und entdeckt die großen europäischen Sinfoniker für sich. Mahler, Sibelius und Schostakowitsch erweist Antheil in der dritten Sinfonie durch Anspielung oder direktes Zitat ausdrücklich seine Reverenz. Diesen doppelten Traditionsbezug auf die Musik des eigenen Landes und auf die große europäische Musik ergänzen, gleichsam als Katalysator, Antheils Erfahrungen mit der Komposition von Filmmusik, die er unmittelbar vor Beginn der Arbeit an der dritten Sinfonie gesammelt hatte.
Das eher Kaleidoskopische von Antheils Komponieren, das auch die übrigen Werke dieser Einspielung aufweisen, tritt an der dritten Sinfonie besonders deutlich hervor. Sinfonisches offenbart sich hier eher in Tonfällen als in stringenter motivisch-thematischer Arbeit, zumal schon Antheils musikalische Motive oft flüchtigen Gesten ähnlicher sind als in sich geschlossenen Themen. Wie ein Film gleitet die Musik von einem musikalischen Bild oder Eindruck zum anderen. Das Episodische dieser Musik zusammen mit einem satten und farbigen Orchesterklang, dem eine gewisse Breitwand-Wohligkeit gut ansteht, vermittelt ein Gefühl von Offenheit und Weite. Darin liegt vielleicht gerade das Amerikanische von Antheils dritter Sinfonie.
Die Wiedergabe der Werke auf dieser CD durch das Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt unter Hugh Wolff kennzeichnen Flexibilität und Klarheit. Sie bleibt stets deutlich im Detail und weckt Vergnügen an manch reizvoller Klangkombination; sie lässt der Musik also Zeit, sich in ihren Episoden zu entfalten, und behält doch den großen Bogen im Blick; sie freut sich an den unterhaltenden Qualitäten von Antheils Musik, ohne damit zu kokettieren. Störend an der Produktion wirkt nur die recht geschwätzige Einführung im Booklet.
Gisela Schubert