Johannes Brahms
Symphony No. 2/Tragic Overture/Academic Festival Overture
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Ltg. Paavo Järvi
Fast 15 Jahre lang hatte Brahms mit sich gerungen, bis er seine erste Sinfonie c-Moll op. 68 im Herbst 1876 endlich in eine ihn zufriedenstellende Form gebracht hatte. Für seine zweite Sinfonie D-Dur op. 73 reichte dem Komponisten bereits wenige Monate später gerade mal ein Sommerurlaub in Pörtschach am Wörther See. Schon Ende des Jahres 1877 wurde die D-Dur-Sinfonie in Wien unter Hans Richter erstaufgeführt und Brahms durfte sich an dem triumphalen Erfolg erfreuen, den dieses Werk beim Publikum hinterließ.
Brahms vier Sinfonien stehen jetzt im Fokus der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und ihres Dirigenten Paavo Järvi. Auf den internationalen Konzertpodien zuvor vielfach erprobt war man 2016 ins Aufnahmestudio gegangen. Das erste auf Tonträger festgehaltene Ergebnis dieser intensiven Auseinandersetzung mit Brahms liegt nun in der Einspielung seiner zweiten Sinfonie vor. Und diese Aufnahme bildet einen phänomenalen Auftakt zu den noch zu erwartenden weiteren Produktionen.
Unter der Herangehensweise von Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphilharmonie klingt Brahms wie neu, ganz entschlackt und kammermusikalisch aufgelichtet. Mit einer solch traumhaften Durchsichtigkeit, wie sie die Interpreten hier erreichen, erlebt man die Struktur des Orchestersatzes allein schon hörend gleich dem Lesen in einer Partitur. Brahms Instrumentierung, die Gewichtung der Stimmen zueinander, das Ablösen der
Instrumentenregister, das präsente Gewebe und der Figurationsverlauf der Nebenstimmen, all dies erlaubt hier faszinierende Einblicke in die musika-
lische Gedankenwelt des Komponisten.
Mit solch enormer Plastizität herausgearbeitet und gleichwohl ungemein geschmeidig ineinander verzahnt und homogen miteinander verblendet, dabei in Phrasierung und Akzentuierung enorm sprechend, lebendig und spannungsreich ausformuliert zeigt sich hier die Vertrautheit der Künstler mit den auch für die Musik des 19. Jahrhunderts so bedeutsamen spieltechnischen Erkenntnissen der historisch informierten Aufführungspraxis gleichgültig, ob mit altem oder, wie im Falle der Deutschen Kammerphilharmonie, neuem Instrumentarium. Die instrumentale Balance und die diffizile Leuchtkraft in den Rahmenteilen des zweiten Satzes, das organische Wachsen von Agilität und Entschleunigung in dessen Mittelabschnitt, die melodische Feinnervigkeit und die darin kontrastierend eingebetteten geheimnisvoll schattierten Charakterzeichnungen im dritten Satz und das lebhaft, voller Gespanntheit und dabei ungemein transparent gehaltene Profil des Finales, auch all dies sucht schlechthin seinesgleichen.
Nicht anders verhält es sich mit den der Sinfonie beigegebenen Ouvertüren: Die Tragische Ouvertüre op. 81 besticht neben ebensolchem interpretatorischen Glanz durch ein dramatisches Glühen, das ganz von innen heraus entfacht wird, und die Akademische Festouvertüre op. 80 wissen Paavo Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie wohltuend aus all dem gewohnten Lärmen herauszuhalten. <
Thomas Bopp