Gustav Mahler

Symphony No. 2 „Resurrection“

Giulia Montanari (Sopran), Bettina Ranch (Alt), Prager Philharmonischer Chor, Essener Philharmoniker, Ltg. Tomáš Netopil

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Oehms Classics
erschienen in: das Orchester 12/2023 , Seite 66

Zehn Jahre lang bis zum Sommer 2023 war der tschechische Dirigent Tomáš Netopil Generalmusikdirektor der Essener Philharmoniker und des Aalto-Musiktheaters. Und hat in seiner Zeit dort an einem Zyklus mit Mahler-Sinfonien gearbeitet, die in der Essener Philharmonie aufgeführt wurden. Das verdienstvolle Label Oehms Classics legte und legt Mitschnitte davon auf CD vor. So die im Mai 2019 musizierte zweite Sinfonie, die sogenannte Auferstehungssinfonie. Die neunte, sechste und – ganz neu – die dritte Sinfonie sind auch schon erschienen.
Nach einigen Mahler-Aufnahmen aus der Hamburger Laeiszhalle mit den dortigen Philharmonikern aus der Amtszeit von Simone Young und dem Kölner Zyklus des Gürzenich-Orchesters unter Markus Stenz ist das schon das dritte größere CD-Projekt in Sachen Mahler mit größeren deutschen Orchestern. Damit belegt Oehms Classics nicht zuletzt, dass im deutschsprachigen Raum nicht nur die Berliner und Wiener Philharmoniker oder das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Bamberger Symphoniker als Mahler-Orchester Zeichen setzen, sondern dass auch an anderen Orten interpretatorisch Gewichtiges zu diesem Komponisten, dessen Sinfonien zumindest bei A-Orchestern längst Standardrepertoire sind, gesagt wird.
Das Orchester zeigt in allen Registern seine spieltechnische Klasse und seine ausgewogene Klangkultur. Tomáš Netopil entfaltet die gewaltige Partitur Mahlers am Pult mit großer Überlegenheit und erfreulich unpathetisch. Hier gibt es keine äußerliche Effekthascherei und keine krassen Überzeichnungen. Im Gegenteil: Der Dirigent bringt Mahlers Musik gleichsam formvollendet zur Wirkung. Exemplarisch zeigt sich das beim dynamischen Höhepunkt des Werks mit dem Einsatz der Orgel bei dem apotheotischen zweiten Aufersteh’n-Chor. Ohne gedehntes Ritardando führt Netopil auf diese Stelle hin. Und der Chor singt dann die Quintessenz des ganzen Werks mit der Klarheit und dem fließenden Zeitmaß eines Bachchorals. Dabei wird freilich Mahlers Musik nichts von ihrer Wirkung genommen.
Fasslichkeit und innere Logik kennzeichnen diese Mahler-Aufnahme – und das sind erst recht bei der zweiten Sinfonie sehr gute Tugenden, denn überwältigend ist dieses Werk ja von sich aus ohnehin, da dürfen die Interpreten gerne einen klaren Kopf haben und die Übersicht behalten.
Der Prager Philharmonische Chor erfüllt seine Aufgabe vorzüglich – und exzellent sind die beiden Solistinnen. Giulia Montanari lässt ihren Sopran schon beim ersten Aufersteh’n-Chor strahlen und die seit vielen Jahren in Essen engagierte Altistin Bettina Ranch singt ihren Part ebenso erlesen im Ton wie ausgefeilt im Ausdruck. Karl Georg Berg