Rubinstein, Anton
Symphony No. 2 op. 42 “Océan” / Ouverture Triomphale op. 43 / Valse Caprice / Sérénade russe Nr. 1 op. 93 / Trot de Cavalerie
Der einstige Ruhm Anton Rubinsteins ist inzwischen schon recht verblasst. Das reiche uvre neben Klavier- und Kammermusik immerhin fünf Klavierkonzerte, zwei Cellokonzerte, Orchesterwerke und nicht zu vergessen seine Oper Der Dämon, die einst einen Stammplatz im Repertoire der Opernhäuser besaß ist heute zu großen Teilen fast in Vergessenheit geraten. Da ist es hilfreich, wenn sich ein kompetenter Dirigent und ein ebensolches Orchester dem Werk von Anton Rubinstein wieder annehmen. Die Rede ist von George Hanson und seinen klangschön musizierenden Wuppertaler Sinfonikern, die für das Label MDG schon einige ansprechende CDs mit Raritäten eingespielt haben.
Bei der ersten Folge der Orchestermusik Rubinsteins befassten sich die Wuppertaler neben der Ballettmusik aus dem Dämon und dem Charakterstück Don Quixote mit dem Cellokonzert op. 63, für das sich der Solist Alban Gerhardt mit Nachdruck einsetzt (MDG 3351165-2). Auf dieser zweiten Folge der Orchesterwerke stellt Hanson der programmatisch geprägten zweiten Sinfonie Okean (Ozean) zwei von Karl Müller-Berghaus, einem Zeitgenossen Rubinsteins, bearbeitete Klavierstücke (Rubinstein galt neben Liszt als der bedeutendste Pianist des 19. Jahrhunderts) gegenüber: die Sérénade russe Nr. 1 op. 93 und Valse Caprice. Die musikalisch eher leichtgewichtigen Stücke, deren gelegentliche Banalität sich kaum überhören lässt, werden ebenso wie der Trot de Cavalerie (ein von einem unbekannten Bearbeiter instrumentiertes Klavierstück) von Hanson und den Wuppertalern lustvoll-unterhaltsam musiziert. Auch die Ouverture Triomphale op. 43, 1860 in zeitlicher Nähe zur Ozean-Sinfonie entstanden, scheint als Huldigungsmusik für die politisch-militärischen Erfolge von Zar Alexander II. gedacht zu sein. Die Einspielung wird dem pompösen, durchaus einfallsreich instru-mentierten Stil des Werks gerecht.
Die zweite Sinfonie Rubinsteins ist gewiss das musikalisch gewichtigste Werk dieser CD. Die eingespielte viersätzige Urfassung (später erweiterte der Komponist sie auf sieben Sätze) zeigt deutlich, warum die Zeitgenossen Rubinstein als deutschen Komponisten teilweise mit heftiger Polemik verfolgten. Dass Rubinstein in gleicher Münze zurückzahlte und die Komponisten des Mächtigen Häufleins als Amateure verspottete, sei nur am Rande angemerkt. Die 1851 entstandene C-Dur-Sinfonie richtete sich sehr stark nach der deutschen Tradition, im kompetenten Booklet-Text wird sie formal als geradezu schulbuchartig beschrieben. Hier finden Hanson und die klangfarblich differenziert agierenden Wuppertaler die gute natürliche Aufnahmetechnik fügt das ihre hinzu zu einer mehr als befriedigenden Interpretation. Weiche Bläsereinsätze, ein eher auf Mischklang denn farbliche Differenzierung eingestelltes Klangbild bestimmen die Aufnahme.
Hervorzuheben ist die Holzbläsersektion der Wuppertaler. Hanson nimmt sich Zeit, die Melodik Rubinsteins nachzuvollziehen und ausschwingen zu lassen. Dies bedeutet indes nicht, dass er auf eine prägnante rhythmische Interpretation der Streicher keinen Wert legen würde. Die im 19. Jahrhundert nachweislich neben denen von Beethoven, Mendelssohn, Schumann und Brahms am meisten aufgeführte Sinfonie könnte ein Werk sein, das auch im heutigen Konzertrepertoire ihren Platz wieder finden könnte. Zumindest hier lässt sich erahnen, warum Rubinstein neben seinen Verdiensten als Pianist und besonders als Musikpädagoge, auf den die Musikerziehung in Russland zurückgeht, auch als Komponist wieder zu entdecken wäre.
Walter Schneckenburger