Rochberg, George
Symphony No. 2 / Imago Mundi
Während viele europäische Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem jene der Avantgarde die Großform der Sinfonie nicht mehr als geeignet erachteten für ihre musikalischen Ziele, hatten die Amerikaner, obwohl aus gleicher Tradition stammend, solche Bedenken weitaus weniger. Deshalb brachten die USA selbst in dieser Zeit eine Vielzahl von Sinfonikern hervor, wenn auch manche nur von regionaler und temporärer Bedeutung. Zwar zählt der im Osten der USA geborene und aufgewachsene George Rochberg (1918-2005) nicht zu den weltweit fest etablierten, das heißt auch in Konzerten präsenten US-Komponisten, doch genoss der in den 50er Jahren als Leiter eines Musikverlags tätige, später als Professor lehrende Musiker national hohe Anerkennung und erhielt viele Preise. Dass die Basler Paul-Sacher-Stiftung sein Werk-Archiv für ihre Sammlung erwarb, zeigt die Statur des Sinfonikers.
Das Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbücken hat sich mit dem Dirigenten Christopher Lyndon-Gee die Interpretation der Musik Rochbergs im Konzertsaal, vor allem aber auf Tonträger zur Aufgabe gemacht. Vor der hier besprochenen CD ist bereits eine Disc mit der fünften Sinfonie (die der Komponist selbst noch in Saarbrücken gehört hat) und zwei weiteren Werken erschienen, eine Aufnahme der ersten Sinfonie soll folgen.
Die erste 12-tönige Sinfonie eines Amerikaners ist Rochbergs in den Jahren 1955/56 entstandene Symphony No. 2. Auf die Werke dieser Phase er selbst sprach von harter Romantik hatten seine Freundschaft mit dem Italiener Luigi Dallapiccola und dessen eigener Umgang mit dem Vorbild Alban Berg einen Einfluss. So ist das zwar dodekafonische, doch teils an diatonischen Intervallen (etwa Terzen und Quinten) oder Schwerpunkten orientierte Melos auch dem mit der Avantgarde nicht vertrauten Hörer gut zugänglich. Diese Sinfonie Rochbergs ist verwandt mit manchen Werken seines Landsmanns Elliott Carter, gibt sich jedoch sinnlicher und weniger intellektualistisch.
Die klare und dynamisch ausgewogene Interpretation durch das Saarbrücker Orchester steigert den Genuss der Musik, die mit ihrer Vielfalt an Strukturen und Wirkungen überrascht. Auf den komplexen Kopfsatz folgt ein geradezu tänzerisch lockeres Allegro scherzando. Der langsame dritte Satz mit zwei Phasen eines Molto tranquillo bietet auch in der zwölftönigen Faktur intensiv lyrische Momente. Und die Adagio-Coda nach dem maßvoll raschen vierten Satz hat Vornehmheit und Gedankentiefe.
Imago Mundi entstand 1973 nach einer Japanreise. Rochberg verarbeitet Einflüsse der Ästhetik auch der bildenden Kunst der ostasiatischen Kulturnation. Doch greift der Komponist nicht zu billigen Anleihen, sondern schafft einen Ablauf faszinierender Orchester-Szenen.
Günter Buhles