Shostakovich, Dmitry
Symphony No. 13
In dem von politischen Repressionen geprägten Leben von Dmitri Schostakowitsch spielt die 13. Symphonie Babi Yar eine besondere Rolle. Zwar war das Leben des Komponisten nach dem Tod des Diktators Stalin nicht mehr direkt bedroht, doch war, wie viele Intellektuelle und Künstler feststellen mussten, das Tauwetter der Chruschtschow-Ära nur von kurzer Dauer. Die Entstalinisierung wurde nicht entschieden fortgesetzt, die Staatsmacht entschied sich letztlich gegen zu viel Offenheit im Umgang mit der totalitären Vergangenheit (und Gegenwart).
In dieser prekären zeitgeschichtlichen Konstellation komponierte Schostakowitsch 1962 seine 13. Sinfonie Babi Yar für Solobass, Basschor und Orchester. Den fünf Sätzen des Werks liegen Gedichte von Yevgeny Yevtushenko zugrunde, eines Dichters, dessen Werk von den Behörden mit großem Argwohn betrachtet wurde. Bernd Feuchtner hat in seinem lesenswerten Schostakowitsch-Buch die Themen der Sinfonie und der ihr zugrundeliegenden Gedichte als Antisemitismus, politischer Witz, Ausbeutung der Frau, Unterdrückung und Karrierismus charakterisiert.
Im Rahmen seiner Gesamteinspielung aller Sinfonien des russischen Komponisten hat sich nun Roman Kofman mit dem vom ihm seit der Saison 2003/04 geleiteten Beethoven Orchester Bonn der 13. Sinfonie angenommen. Die bei MDG erschienene fünf-
te Folge der Gesamteinspielung überzeugt einmal mehr durch das Klangkonzept der Aufnahme. Sehr plastisch und dabei einem warmen, nie steril klingenden Raumklang mit entsprechender Tiefenstaffelung verpflichtet, wurde das Werk in der Bad Godesberger Heilig-Kreuz-Kirche aufgenommen. Der aus Kiew stammende Kofman kann sich wie schon bei den bisherigen Einspielungen der Schostakowitsch-Serie auf die hohe Klangqualität des Beethoven Orchesters stützen, das in den vergangenen Jahren an künstlerischer Statur und instrumentaltechnischer Souveränität gewonnen hat.
Kofman zeichnet eine Schostakowitsch-Sicht jenseits alles Plakativen aus, nie wird vordergründigen Effekten der musikalischen Struktur geopfert. Zudem lässt er sich bei der 13. Sinfonie viel Zeit, die Details der Partitur auszuleuchten. Dies wirkt gelegentlich, besonders im Vergleich mit Gesamtaufnahme der Schostakowitsch-Sinfonien von Kyrill Kondraschin, der die Uraufführung des Werks leitete (Melodia 1001065, über Codaex), nicht unproblematisch. Obwohl Kondraschin zensurbedingte Eingriffe in die Texte Yevgeny Yevtushenkos bei dieser Einspielung aus dem Jahr 1967 hinnehmen musste, kann seine deutlich schnellere Einspielung durch ihren kraftvollen Impetus und ihrer durchgängigen Spannung überzeugen.
Artur Eizen bei Kondrashin singt emotional eindringlicher als der sehr zuverlässige Bass Taras Shtonda bei Kofman, der dafür mit mehr Stimmkultur aufwarten kann. Souveräne Gestaltung und einen sehr ausgewogenen Bassklang können auch die tiefen Männerstimmen des Tschechischen Philharmonische Chor Brno bei der Bonner Aufnahme ins Feld führen. Als Meriten der Aufnahme Kofmans stehen für die MDG-Einspielung das sehr ausgeglichene Orchesterspiel des Bonner Beethoven Orchester ebenso wie die guten Vokalleistungen, aber auch die Genauigkeit des Dirigenten, der mit viel Übersicht und profunder Musikalität einen möglichst objektiven Zugang zu der vielschichtigen Partitur sucht.
Walter Schneckenburger