Röntgen, Julius

Symphony No 10/Symphonietta humoristica/3 Preludes & Fugues/Suite “Oud-Nederland”

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 777 308-2
erschienen in: das Orchester 02/2009 , Seite 66

Im Amsterdamer Concertgebouw – das ist bekanntlich einer der renommiertesten Konzertsäle der Welt – liest man auf der Balustrade der Empore die Nachnamen von Komponisten, immer abwechselnd ein internationaler Klassiker von Johann Sebastian Bach bis Maurice Ravel und ein niederländischer Meister. Zu Letzteren zählt auch Julius Röntgen (1855-1932), der in Leipzig geboren wurde, aber niederländische Vorfahren hatte. Wie so viele Komponisten jener Zeit studierte er am Leipziger Konservatorium und arbeitete dann am Aufbau einer neuen Nationalmusik, in diesem Fall der wiedergeborenen niederländischen. Ab 1877 bis zu seinem Tod lebte Röntgen als geschätzter Pianist, Dirigent und Komponist in den Niederlanden.
Dies ist schon die dritte CD einer Julius-Röntgen-Edition des Entdeckerlabels cpo. Als Komponist war Röntgen Pragmatiker, der fest in einem Leipziger Klassizismus à la Felix Mendelssohn Bartholdy wurzelte, oft Anklänge an und Zitate von Bach bis Ravel verwendete, vor allem von seinen Freunden und großen Vorbildern Johannes Brahms und Edvard Grieg (der ihm seine Lyrischen Stücke op. 54 widmete), die er beide bei deren Besuchen in Amsterdam kennen gelernt hatte, und doch eigenständig blieb. 18 seiner insgesamt 21 Sinfonien verfasste er in einem wahren Schaffensrausch in den beiden letzten Jahren vor seinem Tod, so auch die einsätzige, knapp zehnminütige Zehnte, die „Walzersymphonie“ von 1930, die wie Richard Strauss auf Holzschuhen wirkt.
Die Symphonietta humoristica (1922) wird man noch nicht als Sinfonie bezeichnen dürfen, die vier Sätze bilden nur einen lockeren Zusammenhang. Auf fast 28 Minuten Frohsinn folgt auf der CD ein überraschend subtiles Werk: Drei Präludien und Fugen über G.H.G.B.F. (1918/19).
Gemeint sind die Initialen seines guten Freundes und Schülers Gerard von Brucken Fock, der nicht glauben wollte, dass man über seinen Namen Fugen schreiben können. Das Ergebnis lässt erstaunlicher Weise an Claude Debussy denken – wie als ein weiterer Beweis für die These, dass die niederländische Musik die Waage zwischen deutschen und französischen Einflüssen halte – und ist ein definitiver Beleg für Röntgens enorme Instrumentierungskunst.
Vollends überzeugt von dem Meister Julius Röntgen werden wir durch die abschließende Suite Oud-Nederland (1907), fast eine viersätzige Sinfonie über tradtionelle niederländische Themen. Das frische vierminütige Contredans-Scherzo wäre für jedes Orchester zumindest eine äußerst dankbare Zugabe – es geht auf Röntgens Folklorebearbeitungen Oud-Hollandsche Boerenliedjes en Contradansen zurück, seinen wohl wichtigsten Beitrag zur niederländischen Nationalmusik.
Röntgens Musik hat in der vorliegenden Auswahl viel Licht und viel Schwung, darum sind die wieder einmal praktisch makellose Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und der unermüdlich motivierende niederländische Dirigent David Porcelijn hier ein Traumpaar. Wir wünschen dieser CD viele Hörer und der Julius-Röntgen-Edition noch viele Folgen.
Ingo Hoddick