Rasmussen, Sunleif
Symphony No. 1 “Oceanic Days” / Saxophone Concerto “Dem Licht entgegen”
1961 auf einer der Schafsinseln mitten im Atlantik zwischen Norwegen und Island geboren, begann Sunleif Rasmussen in Tórshavn als Jazz- und Rockmusiker, bevor er anfing sich für neuere Kunstmusik zu interessieren und als erster Mensch der Färöer überhaupt! in Kopenhagen ein reguläres Kompositionsstudium aufnahm. Mehr als sein Hauptfachlehrer am Königlichen Konservatorium, der renommierte Sinfoniker Ib Nørholm, beeinflusste ihn dann die Pariser Schule um Gérard Grisey und Tristan Murail, deren Spektralmusik auch die finnische Komponistin Kaija Saariaho prägte. Doch während diese in Paris hängen blieb, wo sich die mentalen Spuren ihrer Herkunft verflüchtigten, zog es Rasmussen heim in seine Inselwelt. Färöische Natur und Volksmusik wandern auf verschlungenen Pfaden ein in das farbschimmernde, obertonflirrende Komponieren des Färingers, dem der Nordische Rat 2002 für die erste Symphonie Oceanic Days seinen jährlich vergebenen Musikpreis verlieh.
Seit ihn Nordic Sounds, die Zeitschrift des Nordischen Musikkomitees NUMUS, daraufhin mit verhangenem Blick vor seiner steinigen, graugrünen Insellandschaft aufs Titelblatt bannte, ist der Komponist in Skandinavien kein unbeschriebenes Blatt mehr. Ein paar Seiten weiter versuchte der Komponist, seine färöische Identität in Worte zu fassen: Das Idyllische und das Erschreckende, das sich entlang einer Grenze unbestimmbaren Sehnens trifft vielleicht mag das als Bild dienen für ein besonderes färöisches Lebensgefühl.
Rasmussens Werktitel verweisen auf die Inselnatur mit ihren rasch wechselnden Wettern. Der poetische Titel seiner 1995-97 entstandenen ersten Symphonie bezieht sich unmittelbar auf ein Gedicht des färöischen Schriftstellers William Heinesen: Wieder einer dieser ozeanischen Tage. Auf der Ebene des musikalischen Materials schöpft der Komponist aus dem Fundus der alten Volksmusik des Archipels. Nicht wörtlich allerdings, sondern indem er Klänge und Melos aus dem Obertonspektrum alter färöischer Melodien ableitet. Sogar rhythmische Gestalten, die seine Musik isometrisch durchziehen, gewinnt er wie im Booklet angedeutet in einem bestimmten Verfahren aus ihnen.
Als Ton- und Klangquelle für seine Symphonie nutzte Rasmussen das Volkslied Herr Sinklar und das Kirchenlied Ich liege hier in großem Elend, wobei die Volksliedsubstanz die raschen und lichten Teile des dreisätzigen Werks durchdringt, während die getragenen, lyrischen Episoden der alten dänischen Choralmelodie entspringen. Aus dem Vagen herkommend, schwillt seine Musik in Wellenbewegungen, die sich gleichsam Gischt sprühend brechen. Das Orchester gibt immer wieder Raum für solistische Einmischungen und Dialogpartien. Mitten im dritten Satz taucht die Tuba aus dem Klanggewoge auf wie ein Blauwal aus dem Meer.
Auch dem Saxofonkonzert Dem Licht entgegen von 2001 liegt ein Urthema zugrunde, der Choral Wie die goldene Sonne hervorbricht. Das überaus kurzweilige Konzert folgt der Idee Aus der Tiefe in die Höhe oder Vom Dunkel ins Licht: In vier farblich, charakterlich und bewegungsmäßig abgestuften Sätzen arbeitet sich die hochvirtuose Solistin vom Bariton- zum Sopransaxofon empor. Das Danish National Symphony Orchestra versenkt sich unter dem finnischen Dirigenten Hannu Lintu tief in die Grotten der färöischen Seele.
Lutz Lesle