Korngold, Erich Wolfgang
Symphony in F sharp / Tänzchen im alten Stil
Die Gnade der späten Geburt: gern zitierte politische Floskel; in der Musikgeschichte ist die Gnade nicht selten gleichzeitig ein Fluch. Kein besseres Beispiel für die Tragik dieses merkwürdigen Zwischen-die-Zeiten-Geratens als Erich Wolfgang Korngold.
Als Wunderkind noch in einer Fin-de-Siècle-Ästhetik verhaftet irgendwo nahe Mahler oder Schreker ist der Sohn des großen alten Kritikers einer, der vielversprechende Talente mitbringt, die sich in Frühwerken wie der Pantomime Der Schneemann artikulieren, aber sich im Bewusstsein fortschrittsgläubiger Ästhetiker nicht erfüllt haben. Fast tragisch am Erfolg seiner Oper Die tote Stadt gemessen, wird er im Verhältnis zu anderen europäischen Emigranten zwar rechtzeitig auf den Musikmarkt in Hollywood geworfen. Auch da erfolgreich, wird er aber einer bleiben, der zwischen den Welten steht zeitlich wie räumlich und dessen Musik diese Reibung auch deutlich spiegelt. Passt man in keine Schublade, wird man leicht vergessen. Und so lassen sich noch heute Werke zutage fördern, die kaum jemand kennt und die genau diesen Widerspruch zwischen alter und neuer Welt, von Noch-Nicht und Nicht-Mehr spiegeln.
Die Neueinspielung, die das Helsinki Philharmonic Orchestra auf den Markt gebracht hat, zeigt den frühen neben dem späten Korngold, ist das Porträt eines eben immer Unzeitgemäßen. John Storgards hat mit dem Klangkörper sowohl die F‑Dur-Sinfonie des Komponisten aus den späten 1940er und frühen 1950er Jahren als auch das Tänzchen im alten Stil von 1919 eingespielt. Und der Effekt ist erstaunlich, denn neben dem beschriebenen werkimmanenten Gegensatz sind es schon Merkmale einer einheitlichen und charakteristischen Handschrift, die zutage treten, Parallelen, die sich auftun zwischen dem Früh- und dem Spätwerk. Das liegt vor allem an der so klaren Konzeption Storgards, der mit dem Helsinki Philharmonic vor allem um einen fast sachlichen Klang bemüht ist. Das relativiert sich von selbst angesichts der sinnlichen, streckenweise fast schwülen Anlage der Sinfonie. Die würde mit Sicherheit ohne Hollywood anders klingen und der entsprechende Gestus lässt sich auch nicht wegdiskutieren, aber Storgards setzt geschickt auf die Brüche zur traditionellen Form und zu einer avantgardistischen Tonsprache im frühen 20. Jahrhundert in Europa.
Das Frühwerk mag viele Ismen bemühen. Dennoch hat das Tänzchen so viel Eigenes, das sich das Hinhören durchweg lohnt. Es ist das geschickte Spiel mit Form und Struktur, mit Aktualität und Möglichkeit. Mehr als der Titel verspricht, ist es trotzdem nicht. Eine Entdeckung ist diese Platte aber dennoch allemal, auch wenn sie nicht wirklich überrascht.
Tatjana Böhme-Mehner