Beethoven, Ludwig van

Symphonies Nos. 7, 8 & 9

1 Blu-ray Disc / 3 DVDs

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Unitel Classica C major 705204 / 705108
erschienen in: das Orchester 11/2011 , Seite 80

Lange waren sie als Kernwerke des Repertoires im Konzertsaal fast aus der Mode gekommen, doch nun tauchen sie schon seit einigen Jahren wieder regelmäßiger in den Programmen auf: Beethovens Symphonien, und dann gerne auch als Zyklus. Dokumentiert findet sich diese Entwicklung
in zahlreichen Neuproduktionen auf CD oder DVD, zuletzt etwa in Bremen (Järvi) und Heilbronn (Gazarian), nun aber auch aus dem Wiener Musikverein mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Christian Thielemann.
Der letzten Folge mit den Symphonien Nr. 7, 8 und 9 kommt dabei naturgemäß ein besonderes Gewicht und damit auch erhöhte Aufmerksamkeit zu – es handelt sich um Livemitschnitte vom November 2009 und April 2010 in hoher Bild- und Sound-Qualität (wobei aber die Bildregie meistenteils unsäglich bieder bleibt). An der musikalischen Umsetzung werden sich indes (wie schon bei Karajan oder Bernstein) die Geister scheiden: Thielemann bleibt auch hier seinem in sich schlüssigen, jedoch auch retrospektiv anmutenden Konzept treu. Sattes Pathos, kompakte Klangdichte und charakteristische Nuancen bei der Tempogestaltung (Letztere nicht aufführungspraktisch, wohl aber interpretationsgeschichtlich legitimierbar) werden von den hervorragend präparierten Wiener Mannen wie von selbst und ohne große aufmunternde Geste umgesetzt (die eigentliche Arbeit fand eben vorher statt).
So fällt das Auge vor allem auf das Begleitprogramm: Unter dem Motto „Discovering Beethoven“ geben sich Thielemann und Joachim Kaiser zu jeder Symphonie mit einer knapp einstündigen… (ja, was eigentlich?) die Ehre. Ein Gespräch ist es nicht, dazu redet man in den knappen Statements teilweise aneinander vorbei (in den beiden Gesprächssituationen glaubt man zudem ganz anderen Menschen zu begegnen), eine Werkeinführung ist es aber auch nicht. Was soll man auch entdecken, wenn die meiste Zeit doch nur Auszüge des Mitschnitts mitlaufen? Neben Improvisiertem zum Charakter der Musik und einigen erklärenden Hinweisen Thielemanns zum Verhältnis von Melodie, Rhythmus und Tempo geht man auch schon mal ins Detail (etwa zum Allegretto der Nr. 7): „Wenn der Beethoven 150 verlangt, sind Sie bei 140 – und das ist schon sehr schnell“, so Kaiser – Beethoven schreibt übrigens Halbe = 72 vor. Der 8. Symphonie wird eine „vermeintliche Altersheiterkeit“ attestiert (Beethoven war 42 Jahre alt), und zum Adagio der 9. Symphonie gesellt sich eine Anekdote über das „angemessenen Vibrato“.
Instruktiv wird es hingegen immer dann, wenn zu einzelnen Passagen Ausschnitte anderer Aufzeichnungen eingespielt werden, die schon legendär geworden sind. In diese Kategorie will auch Thielemann vorstoßen, wenn er unumwunden von seinem „unbedingten Ehrgeiz“ spricht, „in dieser Reihe bestehen zu können“. Doch erst die Zeit wird das erweisen.
Michael Kube