Schumann, Robert
Symphonies No. 2 & No. 4
Robert Schumanns Eigenart war es, sein kompositorisches Schaffen über einen längeren Zeitraum hin jeweils auf ein Genre zu fokussieren. Auf das Liederjahr 1840 mit etwa 150 Liedern und Gesängen folgte 1841 das Sinfonienjahr, in dem drei der insgesamt fünf sinfonischen Arbeiten, die später folgenden Konzerte ausgenommen, entstanden. Neben einer ersten Auseinandersetzung mit der sinfonischen Form im Jahr 1832 (Zwickauer Sinfonie) komponierte Schumann 1841 die B-Dur-Sinfonie op. 38, die locker gefügte Reihung Ouvertüre, Scherzo und Finale op. 52 und die d-Moll-Sinfonie op. 120, die im sinfonischen Gesamtwerk Schumanns unter Nr. 4 geführt, aber der Chronologie nach die zweite Sinfonie ist. Die C-Dur-Sinfonie op. 61 entstand in den Jahren 1845/46, 1851 folgte die Es-Dur-Sinfonie op. 97.
Roger Norrington hat mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR die vier Schumann-Sinfonien nun in einem Konzertmitschnitt vom Europäischen Musikfest Stuttgart des Jahres 2004 vorgelegt. Zu erwarten waren von dem Experten der historischen Aufführungspraxis, der dieses Wissen um eine sprachnahe Deklamatorik, eine lebendige Artikulation und die vibratolose Reinheit des Klangs mit einem modernen Klangkörper umzusetzen versteht, neue Einsichten in Struktur und Klangbalance dieser Werke. Und tatsächlich, der oft vorgebrachte Vorwurf der Instrumentationsmängel Schumanns erweist sich hier als weitgehend gegenstandslos. Das Finale der Sinfonie Nr. 2 C-Dur beispielsweise wird von Norrington sehr durchsichtig gehalten, alle massive Klanglichkeit konnte dem Satz dank seiner Intention, jede melodische Phrase in der ihr eigenen Ausdruckskraft auszuleuchten, ausgetrieben werden.
Auch der Kopfsatz der Sinfonie Nr. 4 d-Moll zeigt zwar alle nötige Prägnanz, das sonst oft zu erlebende Übermaß an Schlagkraft aber ist zurückgenommen zugunsten einer unerhörten Transparenz und Profilierung der Stimmführung. Und im Finalsatz dieser Sinfonie hört man die Stretta einmal ohne das gewöhnlich überdrehte Wühlen in ihren rollierenden Figuren. Überhaupt hält sich Norrington in der Temponahme oftmals eher ein wenig zurück, was dem Blick aufs Detail zugute kommt.
Und auch die Emphase hat in Norringtons Sichtweise ihre Grenzen: So zeigt der Kopfsatz der Sinfonie Nr. 3 Es-Dur zwar den erwarteten Enthusiasmus, aber der Gestus erweist sich doch als maßhaltend kontrolliert. Und im Scherzo der Sinfonie Nr. 1 B-Dur lässt Norrington sein Orchester zwar durchaus beherzt zupacken, in der tänzerischen Ausformulierung erlegt er seinen Instrumentalisten aber vornehme Zurückhaltung auf.
Die Stuttgarter Radiosinfoniker zeigen sich hier einmal mehr als ein agiler und höchst präziser Klangkörper, der die Ausdruckswerte feinsinnig auszuhören versteht, zwischen musikalisch disparaten Gestalten (so etwa im Kopfsatz der ersten Sinfonie) organisch zu vermitteln vermag und in den Entwicklungsprozessen einen langen Atem zu wahren weiß.
Thomas Bopp