Robert Schumann

Symphonies No. 1-4

Staatskapelle Dresden, Ltg. Christian Thielemann

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Classical
erschienen in: das Orchester 09/2019 , Seite 62

Seiner ersten vom Komponisten als gültig erachteten Sinfonie B- Dur op. 38 hat Robert Schumann den Namen Frühlingssinfonie gegeben. Er selbst spricht von „Frühlingssehnsucht“, die er beim Komponieren im Januar 1841 empfunden habe, und er stellt sich vor, dass der „erste Trompeteneinsatz wie aus der Höhe klänge, wie ein Ruf zum Erwachen“.

Davon hört man in der neuen Aufnahme im Rahmen seiner Einspielung aller vier Sinfonien Schumanns, die Christian Thielemann mit der Staatskapelle Dresden herausgebracht hat, allerdings nicht viel. Seine Klangvorstellung und sein gebremstes Temperament verleihen dem Eröffnungssatz ein gedrungenes und behäbiges Gepräge, und dem Gestus des Melodischen geht, so wie Thielemann das ausformulieren lässt, jegliche Heiterkeit ab.

Wenn man nicht wüsste, dass es sich bei dieser Einspielung der vier Sinfonien Schumanns um eine neuzeitliche handelt, dann könnte man denken, eine ziemlich alte Aufnahme vor sich zu haben – aus einer Zeit, als man noch nichts von den Errungenschaften der historisch informierten Aufführungspraxis wusste, die ja heute mit ihrer anspringenden Lebendigkeit, gespeist aus einer kleingliedrigen Phrasierung, einem sprachmächtigen Ausdrucksmoment und einer Kontur verleihenden Artikulationsschärfe, längst auch die Romantik und auch die „modern“ besetzten Orchester erfasst hat.

Thielemann lässt demgegenüber Schumanns musikalische Gedankenwelt weich und im Tempo sehr elastisch und weit dehnbar dahinfließen. Er huldigt einem wohlig warmen klanglichen Gestus und scheut mitunter auch nicht vor beträchtlichem Pathos zurück. Feine farbliche Schattierungen, nuanciertes klangliches Schichten und subtil entwickelndes Fortschreiten werden weitgehend ausgeblendet.

Die Aufnahme klingt zudem wie ein Relikt aus einer Zeit, in der man noch glaubte, Schumann eine mangelhafte Kenntnis in der Kunst der Instrumentierung vorwerfen zu können – so undurchdringlich und kompakt hört sich der Orchesterapparat an. Solche Fragen der Balance weiß man heutzutage doch in aller Regel wesentlich versierter zu lösen. Der dick aufgetragene und wenig transparente Klang der Aufnahme, der sich in allen vier hier eingespielten Sinfonien so wieder findet, könnte zwar noch mit begründet sein in den Gegebenheiten des Live-Mitschnitts in der Suntory Hall in Tokyo, doch sehr glaubwürdig ist das nicht. Dagegen sprechen auch die sich doch wiederum leuchtkräftig heraushebenden und kammermusikalisch aufgelichteten Holzbläserpassagen, in denen die Bläser der Staatskapelle Dresden ihr Können unter Beweis stellen.

Nein, es ist Thielemanns Sichtweise, die Schumann und seine schweifende Phantasie gleichsam in eine Sphäre der Spätromantik versetzt. Der Dirigent, dem man hinsichtlich der Herangehensweise an die Werke Wagners zu Recht so viel Anerkennung zollt, ist – zumindest seinerzeit in Tokyo – Schumann nicht gerecht geworden.

Thomas Bopp