Joseph Aloys Schmittbaur

Symphonies

l’arte del mondo, Ltg. Werner Ehrhardt

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: deutsche harmonia mundi
erschienen in: das Orchester 12/2023 , Seite 70

Als Joseph Aloys Schmittbaur 1718 geboren wurde, wahrscheinlich in Bamberg, war Johann Sebastian Bach gerade Kapellmeister in Köthen geworden. Als er 1809 mit 91 Jahren starb, hatte er Joseph Haydn um ein halbes Jahr überlebt. Seine musikalische Ausbildung erhielt Schmittbaur wohl in Würzburg, vielleicht außerdem bei Niccolò Jommelli. 1753 trat er in die Rastatter Hofkapelle ein, fünf Jahre später wurde er dort zum Konzertmeister ernannt, 1766 außerdem zum Hofkapellmeister. Nachdem diese Kapelle 1771 aufgelöst wurde, wechselte er als Konzertmeister nach Karlsruhe. Bis er dort 1777 Kapellmeister werden konnte, überbrückte er zwei Jahre als Domkapellmeister in Köln. In beiden Städten tat er viel für das Musikleben.
Diese neue CD enthält vier seiner Sinfonien, darunter die drei des in Köln komponierten Opus 2 von 1776. Darin verzichtet Schmittbaur weitgehend auf thematisch-motivische Arbeit und reiht Formteile aneinander, ähnlich wie die Mannheimer Schule. (Vermutlich hielt er sich auf dem Weg von Karlsruhe nach Köln selbst einmal in der Kurpfalz auf, denn er ließ sich wohl kaum die Gelegenheit entgehen, das damals beste Orchester der Welt zu erleben. Vielleicht begleitete er auch das badische Markgrafenpaar, wenn es inkognito die Oper im nahen Mannheim besuchte.)
Besonders originell wirkt die (hier an zweiter Stelle stehende) Sinfonie B-Dur op. 2 Nr. 3, schon alleine durch die unbegleitete Hörner-Fanfare zu Beginn des im Dreivierteltakt stehenden Kopfsatzes. Im Vordergrund des zweiten Satzes steht dann eine typische Begleitfigur. Ebenso heiter und humorvoll erscheint die 1797 bei Gelegenheit der Höchsten Vermählung, nämlich für die Hochzeit der ältesten Tochter eines badischen Erbprinzen entstandene vierte Sinfonie der Aufnahme. Darin nähert sich der Komponist der Wiener Klassik an, zum Beispiel mit der langsamen (und leisen) Einleitung des umfangreichen Kopfsatzes, in dem Flöte und Oboe gelegentlich solistisch zu Wort kommen.
Das Kölner Originalklangensemble l’arte del mondo macht unter seinem Gründer und Leiter Werner Ehrhardt aus diesen Ersteinspielungen kurzweilige und lebenslustige Sensationen. Ob darin der karnevalistische Geist der Domstadt zum Ausdruck kommt, wie es das Beiheft suggeriert, sei dahingestellt. Jedenfalls fehlt es dabei auch nicht an jener hellwachen Disziplin, die unerlässlich erscheint, um den schier überbordenden Einfallsreichtum dieser Musik im Schach zu halten. Diese erstklassige Silberscheibe macht sehr neugierig auf das offenbar umfangreiche Gesamtschaffen von Schmittbaur, insbesondere auf die für den – zu dieser Zeit noch unvollendeten – Kölner Dom komponierte Dreikönigsmesse, seine zu Lebzeiten bekannteste Komposition.
Ingo Hoddick