Schostakowitsch, Dmitri
Symphonies 1 & 6
Die Gesamteinspielung der Sinfonien von Dmitri Schostakowitsch mit dem Beethoven Orchester Bonn schreitet zügig voran. Roman Kofman und sein in guter Verfassung sich präsentierendes Orchester stellen diesmal den sinfonischen Erstling des russischen Komponisten seiner Sechsten gegenüber. Dabei wird deutlich, dass schon in der ersten Sinfonie der Personalstil Schostakowitschs in nuce angelegt ist. Dieser genialische Wurf, der als Abschluss des Kompositionsstudiums bei Maximilian Steinberg im Jahr 1926 entstand, vereinigt musikalischen Einfallsreichtum mit ironisch gebrochener Formbeherrschung, zugleich ist schon hier der Witz und der Sarkasmus ausgeprägt, der im Werk des Komponisten eine so große Rolle spielen sollte.
Kofman entdeckt in der h-Moll-Sinfonie aber auch schon den Tragiker Schostakowitsch, dem er mit seinem geschmeidig agierenden Orchester viel, fast schon zu viel Raum gibt. Die genaue Ausarbeitung von klanglichen Details, die geradezu liebevoll von den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet werden, ist zwar durchaus positiv zu sehen, doch wünscht man sich besonders bei der Ersten gelegentlich einen reaktionsschnelleren Zugriff, eine Ausarbeitung nicht nur der dynamischen, sondern der emotionalen Kontraste der Musik. Zwar können sich die solistischen Bläser, angefangen von den gedämpften Trompeten des Beginns, im besten Licht zeigen, doch wirken selbst im Allegro-Molto-Finale die Ausbrüche der Musik immer im letzten Augenblick abgefangen. Unterstützt wird dieses dirigentische Konzept von der Aufnahmetechnik von MDG. Die in der Heilig-Kreuz-Kirche aufgenommenen Sinfonien klingen zwar immer durchhörbar und ansprechend transparent, der warme Raumklang und die vom feinsten Pianissimo ausgehende dynamische Staffelung, die sehr überzeugend eingefangen wurde, passen sehr gut zu Kofmans objektivierender Sicht auf Schostakowitsch. Das Wüst-Grelle wird aber immer wieder weich abgefedert, die Brutalität der Musik mehr angedeutet denn ausgespielt. So vermeidet Kofman zwar Plakatives, das der Musik gerne nachsagt wird, bleibt ihr aber auch immer wieder wichtige Dimensionen schuldig.
Die sechste Sinfonie von 1939 ist geprägt von Tragik, Resignation, Trauer, sicher auch Angst. Kofman und die klangfarblich ungemein differenziert agierenden Streicher des Beethoven Orchesters Bonn breiten das einleitende Largo ohne Larmoyanz und aufgesetzte emotionale Drücker aus. Ein objektivierend angegangenes Klangpanorama, auf das die schon etwas distanziert wirkenden schnelleren, grelleren Sätze folgen. Hier lässt Kofman zu viel Zurückhaltung walten, um zum Kern der Musik vorzustoßen. Dennoch eine höchst achtbare Leistung von Dirigent und Orchester, die es aber infolge der immensen Konkurrenz von Kondraschin bis Jansons letztlich schwer haben dürfte.
Walter Schneckenburger