Franz Schubert

Symphonien Nr. 4 & 7

Münchner Symphoniker, Ltg. Kevin John Edusei

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Music
erschienen in: das Orchester 04/2018 , Seite 64

Zwischen dem 23. und 27. Mai vergangenen Jahres spielten die Münchner Symphoniker unter der Stabführung von Kevin John Edusei zwei Schubert-Symphonien in den Bavaria Studios in München ein: die Nr. 4 c-Moll D 417 mit dem Beinamen „Tragische“ und die Nr. 7 h-Moll D 759, die sogenannte „Unvollendete“. Zwei Werke, die wohl in keinem gut sortierten Platten- und CD-Regal von Klassikliebhabern fehlen dürften – und das sicherlich mit den renommiertesten Orchestern und berühmtesten Dirigenten. Warum muss der Klassikhörer diese CD also haben?
Auf der Hülle findet sich der Hinweis: „Rekonstruiert von Mario Venzago“. Das lässt auf eine „Vollendung“ der „Unvollendeten“ schließen, die in den vergangenen 150 Jah­ren bereits öfters rekonstruiert wurde, dieses Mal von einem Schweizer Dirigenten. Das macht neugierig. Indes gibt es auch hier nichts Neues unter der Sonne. Das Scherzo beginnt wie gehabt. Die ersten neun Takte sind ja noch in Partitur überliefert, die folgenden ähneln sich mit den bisherigen Vorschlägen.
Neu ist allerdings der zweite Teil des Trios nach dem neu instrumentierten, nur handschriftlich überlieferten Thema. Wie aus einem Nebel steigt unvermutet das lyrische Thema aus dem Mittelteil des ersten Balletts aus der Schauspielmusik zu Rosamunde D 797 auf. Sehr schöne Musik, die aber wirklich nicht in den Kontext eines relativ kurzen Trios passen will, insbesondere bei der Rückkehr zum Scherzo-Teil.
Als nicht komponierter Finalsatz ist jene Zwischenaktmusik ebenfalls aus Rosamunde gewählt worden. Bereits der englische Musikforscher George Grove regte Ende des 19. Jahrhunderts an – worauf im Booklet auch verwiesen wird –, besagte Musik wegen derselben Tonart h-Moll zu spielen, was der englische Dirigent August Manns umsetzte. Später machte sich auch der britische Musikwissenschaftler Brian Newbould dafür stark – trotz aller Bedenken, da es ein äußerst zweifelhaftes Ergebnis bleibt. Kurios jedoch die Idee, mit Aufnahme der wortwörtlichen Kontrabass-Eröffnung eine Art zyklische Einheit mit dem Kopfsatz zu schaffen. Schubert hätte dies organischer gemacht: Man denke an die zyklische Gestaltung des Finalsatzes des Trios Es-Dur D 929.
Vorliegende CD-Aufnahme selbst bleibt unbefriedigend. Schon der Anfang mit dem schrummeligen und nicht ganz intonationsreinen Kontrabass sowie der unnötigen Pause vor Eintritt der Sechzehntel macht nicht gerade froh. Außerdem ist die Interpretation zu durchgängig geraten ohne tiefgründige Rätselhaftigkeit, der langsame Satz ist zu rasch, zu atemlos und wirkt insgesamt wie abgespielt.
Diese Art der Interpretation passt eher zur vierten Symphonie, die Schubert selbst als „Tragische“ titulierte. Hier gerät der frische und schlanke Ton viel besser, wird zum Aushängeschild dieser CD. Einfühlsam gelingt hier das Andante vorbildlich, die Tempi sind der Symphonie angemessen. Der Sprung zur nachfolgenden h-Moll-Symphonie gelingt indes nicht, da wirklich Welten zwischen den beiden Werken liegen.
Werner Bodendorff