Wolfgang Amadeus Mozart

Symphonien Nr. 39, 40 & 41

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Herbert Blomstedt

Rubrik: CDs
Verlag/Label: BR Klassik 900196
erschienen in: das Orchester 9/2023 , Seite 70

Herbert Blomstedt, der große alte Herr unter den Konzertdirigenten, bietet die drei späten Mozart-Sinfonien in Liveeinspielungen von Dezember 2019, Januar/Februar 2013 und Dezember 2017 voller Lebenslust und Poesie. Dass nicht Schubert und Beethoven, auch nicht Marschner, Wilms oder Weber primär Blomstedts Sicht auf Mozart prägen, garantiert einen durchaus genuinen eigenen Weg, und man muss weit zurückgehen, bis zu Fritz Buschs Rundfunkaufnahmen aus Stockholm, um die frappierende Querverbindung zu verstehen: Hier steht Franz Berwald Pate, den Mozart fraglos beeinflusst hat und für den sich Blomstedt schon vor langer Zeit eingesetzt hat. Die Klarheit der Diktion und der Texturen, die Unverstelltheit der Emotion, all dies zeichnete Fritz Buschs Aufführung von Berwalds Sinfonie sérieuse 1951 aus, und die Geradlinigkeit und das unprätentiöse Der-Musik-Dienen Blomstedts mag die beiden Dirigenten in überraschender Weise miteinander verbinden.
Wärme, Charme und Grazie prägen Blomstedts Mozart-Wiedergaben in ganz natürlicher Weise – da ist nichts aufgesetzt, sondern greift ganz selbstverständlich ineinander. Tempi, Phrasierung und Dynamik, alles erscheint zwangsläufig und überzeugt auf den ersten Eindruck unmittelbar. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks stellt sich ganz in Blomstedts Dienst, bietet lichte, klare Texturen, vorzügliche Klangbalance und lässt althergebrachte, klanglich „dicke“ Wiedergaben mehr als altmodisch, im Grunde als rundweg verfehlt wirken. Dabei dient sich Blomstedt nie der historisch informierten Aufführungspraxis an, die für ihn gar nicht nötig ist, um zum Kern der Musik vorzudringen.
Die 102 Minuten Musik laden zum Wiederhören „am Stück“ ein – so qualitätvoll sind die Aufführungen, so interessant und erfrischend die Wiedergaben. Wo Neville Marriner im Finale der Jupiter-Sinfonie fast bei Mahler anlangte, haben wir hier klassische Klarheit und Stringenz, den Verzicht auf unnötige Rubati – die Konzentration auf das Wesentliche der Musik, die Musik selbst. Jedes Detail, das wir in Mozarts Partitur finden, findet hier ganz selbstverständlich seinen Platz, unaufgeregt und dennoch mitreißend-aufregend. Es ist interessant zu sehen, dass diese Sinfonien in den vorliegenden Interpretationen in der Tat wichtige Ergänzungen zu Blomstedts Diskografie sind, sind doch die Studioeinspielungen mit der Staatskapelle Dresden für Denon 1981 heute kaum mehr zu bekommen.
Leider kommt BR Klassik im Booklet dem Auftrag zur Informationsvermittlung bezüglich der Bedeutung der vorliegenden Wiedergaben nicht nach – anders als dies früher etwa die Labels Orfeo d’Or oder Guild Historical taten. Doch wer zu heute bereits historisch wichtigen Aufnahmen greift, möchte mehr über die beteiligten Künstler, vielleicht auch die Rezeption der dokumentierten Konzerte wissen. Jürgen Schaarwächter

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