Yun, Isang

Symphonie V für großes Orchester mit Bariton solo nach Gedichten von Nelly Sachs/Muak. Tänzerische Fantasie für großes Orchester

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Internationale Isang Yun Gesellschaft e. V. IYG 005
erschienen in: das Orchester 12/2006 , Seite 92

Diese CD ist in zweierlei Hinsicht ein bemerkenswertes Dokument. Zum einen handelt es sich bereits um die fünfte Produktion der 1996 gegründeten, in Berlin beheimateten und vor allem Dank des Engagements von Walter-Wolfgang Sparrer so bemerkenswert aktiven Isang Yun Gesellschaft (www.yun-gesellschaft.de). Zum anderen wird mit dieser CD erstmals die Uraufführungsversion der Symphonie V (1987) veröffentlicht – eine Version, die von der ursprünglichen wie auch von der gedruckten Partitur abweicht. Dieser eigenartige, wenn nicht gar einzigartige Umstand ist dabei Dietrich Fischer-Dieskau und seiner Stimme geschuldet, auf die man damals an so prominenter Stelle offenbar nicht verzichten wollte, für die aber Yun gezwungen war, den Part tiefer zu setzen (außerdem wurde bei der Uraufführung im IV. Satz ein etwa anderthalbminütiger Strich vorgenommen). Dennoch: Gerade durch Fischer-Dieskau gewinnt die vokale Partie jene unvergleichliche Intensität, die man mit diesem Interpreten verbindet.
Yun griff bei seiner Komposition, die im Auftrag der 37. Berliner Festwochen entstand, programmatisch auf insgesamt elf Dichtungen von Nelly Sachs (1891-1970) zurück, die gemeinsam mit ihrer Mutter 1940 buchstäblich im allerletzten Moment von Berlin aus nach Schweden fliehen konnte – die Festwochen 1987 waren deutscher Exilkunst gewidmet (damals eine Novität). Hört man nun heute, nach fast 20 Jahren, diese bemerkenswerte Aufführung der Symphonie V, so ist noch immer etwas von der Atmosphäre in der Berliner Philharmonie zu verspüren, die sich schließlich, trotz tiefem Ausdruck und unbequemer Dichtung, in jubelndem Applaus entlud.
Das zeigt sich auch beim Vergleich mit der Studio-Produktion von 1993 (Filharmonia Pomorska unter Takao Ukigaya und mit Richard Salter, Bariton – cpo 999148-2). Denn Yun hat mit seiner letzten Sinfonie am Ende eines langen und (biografisch wie rezeptionsgeschichtlich betrachtet) schweren Weges ein Werk geschaffen, in dem Musik und Sprache ohne mühsame ästhetische Gedankenakrobatik zueinander finden.
Vervollständigt wird die CD durch die fast 20-minütige Komposition Muak (1978) – ein Werk, das zwar eine gewisse tänzerische Leichtigkeit in sich trägt, in dem aber das Gewicht des Einfalls und das der Faktur nicht zu unterschätzen ist. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine Liveeinspielung (vom 19. Dezember 1981), mit der die Berliner Philharmoniker ein Plädoyer für Yun und seine kompositorischen Qualitäten ablegen.
Michael Kube