Kim, Jin-Ah / Bert Hagels (Hg.)

Symphonie-Rezeption

in deutschsprachigen Periodika von 1798-1850. Eine Quellensammlung in drei Bänden, 1 CD-ROM

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ries & Erler, Berlin 2017
erschienen in: das Orchester 07-08/2017 , Seite 63

Mancher Zeitgenosse meint, man könne heute auf Bücher verzichten, weil ja alles im „Netz“ zu finden sei. Was man dort findet, muss quellenmäßig freilich nicht immer hieb- und stichfest sein. Deshalb bleiben Textkompendien wie das vorliegende von Jin-Ah Kim und Bert Hagels weiterhin unverzichtbar.
Auf den ersten Blick mag man kaum die immense Arbeit ermessen, die dieser Edition zugrunde liegt: Auf fast 1300 Seiten wird in sage und schreibe 1900 verschiedenen Einträgen systematisch jede Besprechung sinfonischer Werke im genannten Zeitraum aufgelistet, alphabetisch nach den Komponisten geordnet, deren Werke und ihre Aufführungen damals rezensiert wurden. Ein Autorenregister erlaubt am Schluss des 3. Bandes das Auffinden von Artikeln der verschiedenen Urheber der hier versammelten Texte.
Auf eine wichtige Einschränkung sei jedoch hingewiesen: Die Texte zu Beethoven, die in Stefan Kunzes Sammlung von 1987 bereits erschienen sind, sowie diejenigen zu Berlioz in der Sammlung von Braam/Jacobshagen sind hier nicht abgedruckt, wurden aber als eigene „Einträge“ mit Verweis auf die genannten Editionen mit aufgenommen. Berücksichtigt wurden sowohl Berichte über Aufführungen als auch Besprechungen von Noten-Editionen.
Wie die Herausgeber anführen, ist das Jahr 1798 bewusst als Starttermin für diese Materialsammlung gewählt worden, weil um diese Zeit überhaupt erst die ersten ernst zu nehmenden Artikel zum Thema erschienen, und zwar im Zusammenhang mit der aufkommenden Individualisierung sinfonischer Musik, für die – allen voran – natürlich Ludwig van Beethoven verantwortlich sein dürfte, an dessen Symphonien sich damals die Meinungen der Zuhörer und Rezensenten vor allem entzündeten. Dies ging einher mit der immer stärkeren „Verbürgerlichung“ des Musiklebens überhaupt, die es für Periodika erst interessant machte, hierüber ausführlicher zu berichten. Das Jahr 1798 als Beginn der Sammlung begründen die Herausgeber zudem mit dem ersten Erscheinen der Allgemeinen musikalischen Zeitung in diesem Jahr.
Das Jahr 1850 als Endpunkt erscheint etwas willkürlich gewählt, findet indes seine Begründung in den revolutionären Ereignissen von 1848/49, nach deren Überwindung sich eine Vielzahl neuer Organe etablierte, die sich der Thematik widmeten. Da sich die Rezeption wichtiger Werke wie etwa Schumanns 2. Sinfonie aber noch bis in die Folgejahre erstreckte, wählte man den genannten Termin zum Abschluss dieses Kompendiums, was von manchen Aspekten aus sicherlich als bedauerlich betrachtet werden mag, aus Sicht der Editoren aber wohl unvermeidlich war. Immerhin bleibt eine „Fortsetzung“ ja als Desiderat für die Zukunft bestehen.
Für jeden, den dieses Thema interessiert, und vor allem für die Forschung zur Rezeptionsgeschichte bietet das Kompendium eine Überfülle an Material, das großenteils noch einer kritischen Erschließung und Würdigung harrt.
Gunter Duvenbeck