Schubert, Franz / Richard Strauss

Symphonie Nr. 9 in C-Dur D 944 / Capriccio: Sextett

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Cascavelle VEL 3096
erschienen in: das Orchester 12/2006 , Seite 89

Die öffentliche Erstaufführung von Schuberts „großer“ C-Dur-Sinfonie fand am 21. März 1839 in Leipzig statt: Felix Mendelssohn Bartholdy hatte sie ins Programm des 9. Abonnementkonzerts im Gewandhaus genommen. Schuberts letzte Sinfonie teilt damit das Schicksal all ihrer Vorläuferinnen: Eine Aufführung seiner Sinfonien im Konzertsaal hat der Komponist nie erlebt. Allerdings kannte das Musikleben zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch keine wertende Trennung von Öffentlichkeit und Hausmusik. Mit Ausnahme eben dieser C-Dur-Sinfonie – Schubert arbeitete an ihr mutmaßlich ab Mai 1825 – waren seine Sinfonien in aller Regel doch immerhin in privaten Kreisen erklungen.
Auch die C-Dur-Sinfonie sollte, folgt man den Musikforschern, die dieses Werk mit Schuberts verschollener „Gasteiner“ Sinfonie gleichsetzen, bald nach der vorläufigen Fertigstellung an solchem Orte aufgeführt werden, doch hatte sich das studentische Orchester am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, die im Herbst 1826 die Partitur erhalten hatte, den Anforderungen, die das Werk an die Instrumentalisten stellt, nicht gewachsen gesehen und das Proben wieder aufgegeben.
Hört man nun die Münchner Symphoniker in diesem Livemitschnitt, der unter der Leitung Philippe Entremonts anlässlich eines Konzerts am 18. Oktober 2005 in der Bostoner Mechanics Hall (Massachusetts, USA) entstanden ist, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch das Münchner Orchester mit Schuberts C-Dur-Sinfonie überfordert war. Da fehlt es im Kopfsatz, was die musikalische Gedankenführung angeht, doch öfters an einer zielbewussten Stringenz, eher beiläufig wird da Abschnitt um Abschnitt aneinander gereiht. Zudem bleibt die Modellierung des Klangs recht unflexibel, faserig und grobkörnig, es fehlt Orchester und Dirigent an einer sensibel austarierten, Geschmeidigkeit und Eleganz vermittelnden klanglichen Linie.
Im Andante con moto vermisst man das Geheimnisvolle, aber auch das Dramatische. Nicht genügend feingeschliffen, ja streckenweise sogar etwas polternd päsentiert sich da der Marsch, die Oboe formuliert das Thema mit spitzem und engem Ton und das Zusammenspiel befremdet gegen Schluss mit lästigen rhythmischen Ungenauigkeiten. Im Scherzo bleibt das Tänzerische matt, der Klang ist strähnig und das ineinander greifende mechanische Räderwerk mitunter recht hakelig. Unausgeglichen ist die instrumentale Balance im Finale mit den im Seitensatz in einen unverständlich grellen Fokus genommenen gebrochenen Akkordfiguren der Streicher.
Der Schubert-Sinfonie war im Bostoner Konzert die Streichorchesterbearbeitung des Sextetts aus Richard Strauss’ Konversationsstück Capriccio vorausgeschickt worden und auch dies ist auf der CD festgehalten. Der gestalterische Zugang Philippe Entremonts und der Münchner Symphoniker ist hier auffallend nüchtern, es fehlt an einer spannungsgeladenen Emotionalität, die Akzentsetzung bleibt schwach, der dynamische Ambitus ist eingeschränkt. Ziemlich müde mutet das alles an und auch die intonatorische Homogenität wirkt hier mitunter recht unbeholfen.
Thomas Bopp