Mahler, Gustav
Symphonie Nr. 8 “Sinfonie der Tausend”
Die Aufnahme ist neun Jahre alt, und auf CD war sie auch schon zu haben. Es muss also gute Gründe dafür geben, dass BMG Classics diese Einspielung von Mahlers achter Symphonie mit Sir Colin Davis, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und einem Großaufgebot an Chören und Solisten wieder veröffentlicht hat. Und gewiss lag es nicht daran, dass die Mutter aller Monumentalsymphonien zu selten auf dem Schallplattenmarkt vertreten wäre. Denn obgleich Mahlers Achte zu den wenigen Werken gehört, die angesichts der Anforderungen an die personelle Potenz auch im großstädtischen Konzertleben nicht oft zu hören sind, so ist der Aufwand für große Ensembles doch kein wirkliches Hindernis.
Ja, Mahler hat für das Größte, was ich bis jetzt gemacht habe alles aufgeboten, was zur Jahrhundertwende denkbar schien. Das Ziel: Die Hoffnung auf Erlösung im ersten Satz christlich, lateinisch formuliert, im zweiten faustisch, deutsch in Töne zu fassen. Doch dieser Symphonie ist mit Masse allein nicht beizukommen, wenngleich es fraglos Passagen gibt, wo alle Dämme brechen und einzig die Kraft der Stimmbänder und Bläserlippen zählt.
Damit haben die von Sir Colin Davis angeleiteten Elite-Ensembles erwartungsgemäß keine Schwierigkeiten. Ihre wahre Klasse aber spielen sie in den durchsichtig gewebten mahlerschen Nachtschattenfiguren aus und noch mehr im transparenten Zusammenspiel von Orchester, Chor und Solisten. Das wird deutlich schon nach 65 Takten, wenn der hymnische Jubelruf Veni creator spiritus einem ruhigeren Ensemblesatz weicht: Es beginnt das zweite Thema dieses monströsen Sonatensatzes. Hier beweisen Sopran I (Alessandra Marc) und Tenor (Ben Heppner) hohe solistische Klasse, ohne dabei die Gemeinschaft mit dem ersten Chor zu vernachlässigen oder das schlank geführte Orchester zu übertönen.
Überhaupt hat Sir Colin Davis mit Alessandra Marc, Sharon Sweet, Elizabeth Norberg-Schulz, Vesselina Kasarova, Ning Liang, Ben Heppner, Sergei Leiferkus, René Pape sowie den Rundfunkchören Stuttgart, Berlin, München (BR) und dem Tölzer Knabenchor ein einzigartiges Ensemble an der Hand, das dieser Aufnahme bleibenden Wert garantiert. Der ehemalige Chef der BR-Symphoniker dirigiert keinen spektakulären, aber einen klugen, zum Mischklang tendierenden Mahler mit viel Freude an fein abgestuften Farbtönen zu Beginn des zweiten Satzes ist die Wagner-Nähe frappierend. Kleiner Schönheitsfehler: Der lateinische Text des ersten Satzes ist im Beiheft nur ins Englische übersetzt.
Johannes Killyen