Dmitri Schostakowitsch
Symphonie Nr. 8 c-Moll op. 65
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Bernard Haitink BR-KLASSIK 900214
Im Jahr 2006 – zum hundertsten Geburtstag des Komponisten – organisierte der Bayerische Rundfunk in München ein großangelegtes Schostakowitsch-Festival. Die Hauptrolle spielte dabei das Symphonieorchester des BR – natürlich unter seinem damaligen Chefdirigenten Mariss Jansons. Aber auch andere Dirigenten standen als Gäste am Pult des Orchesters, um den Jubilar zu würdigen. Zu diesen zählte Bernard Haitink, der Schostakowitschs achte Symphonie zur Aufführung brachte. Diese Aufführung liegt nun als Album vor.
Haitink, Schostakowitsch und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks – eine sinnbringende Kombination, war doch Haitink über Jahrzehnte ein gern gesehener Gastdirigent am Pult des Münchner Orchesters. Dem Schaffen Schostakowitschs hat sich der niederländische Dirigent erst relativ spät gewidmet, dann allerdings umso regelmäßiger. Mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam legte er in den Achtzigerjahren einen kompletten Zyklus mit den Symphonien des Russen vor und auch später setzte er dessen Werke immer wieder auf die Konzertprogamme.
Die Symphonie Nr. 8 hatte schon in Haitinks Amsterdamer Zyklus einen der unbestreitbaren Höhepunkte gebildet. In München stellte der Dirigent einmal mehr unter Beweis, wie sehr ihm dieses Werk am Herzen liegt. Im Vergleich zu seiner Amsterdamer Aufnahme (Decca) wählt Haitink in München etwas breitere Tempi (die Symphonie dauert hier knapp drei Minuten länger als in Amsterdam), ohne dass diese jedoch je schleppend wirken. Besonders imponiert der Kopfsatz, der unter Haitink genau jene geradezu schmerzliche Spannung atmet, wie sie etwa Kirill Petrowitsch Kondraschin in dem Stück zu generieren wusste. Beim ausgedehnten Solo des Englischhorns nach dem zermalmenden Höhepunkt des Satzes traut sich der Hörer kaum, Luft zu holen.
Das Allegretto an zweiter Stelle der Sinfonie hat unter Haitink genug bitteren Sarkasmus zu bieten, um die scheinbare Leichtigkeit des Satzes dauerhaft zu unterminieren. Vielleicht hat man das anschließende „Allegro non troppo“ schon einmal zupackender und aggressiver gehört, doch Haitinks relativ gemessenes Tempo passt gut zur von Schostakowitsch bewusst eingesetzten quälenden Langatmigkeit der toccata-haften Streicherfigurationen.
Sehr schön kommt dann auch die Ambivalenz des eher erschöpften als ruhigen Schlusses heraus. Oft gewinnt man bei „nicht-russischen“ Orchestern, wenn sie Schostakowitsch spielen, den Eindruck einer gewissen Glätte, als herrsche instrumentale Perfektion über den dringlichen Ausdruck. Nicht in dieser Einspielung: Sie ist ein besonderer Moment der Schostakowitsch-Interpretation, auch klanglich hervorragend eingefangen.
Thomas Schulz