Gustav Mahler
Symphonie Nr. 5 cis-Moll für Orchester
Partitur, hg. von Christian Rudolf Riedel und Nick Pfefferkorn
Schneller als erwartet gab Mahler-Spezialist Christian Rudolf Riedel nach der Neunten (das Orchester 11/2024) nun schon die Symphonie Nr. 5 cis-Moll heraus. Dieses Mal in Zusammenarbeit mit Nick Pfefferkorn. Nach dem Editorial, in welchem auf Mahlers prozesshafte Komponierweise mit seinen ständigen Revisionen und Retuschen sowie der „komplizierten und teilweise verworrenen Quellenlage“ hingewiesen wird, folgt der kenntnisreiche und aktuelle Beitrag „Mahler als Symphoniker“ aus der Feder von Constantin Floros. Dieser verfasste im Frühjahr 2025 auch das ebenfalls zweisprachige, mit neuen Erkenntnissen getragene und sehr spannend zu lesende Vorwort. Dort erläutert er – im Gegensatz zu der älteren Auffassung, wonach beispielsweise der Mahler-Dirigent Bruno Walter meinte, die Fünfte „wäre reine, absolute Musik“ und er würde keinen semantischen Inhalt darin entdecken –, dass in ihr doch „ein verschwiegenes ‚inneres‘ Programm zugrunde“ läge. Der Verfasser führt Anzeichen wie die „Anzahl und Aufeinanderfolge der fünf Sätze“ auf, „deren Charakter“, „die tonartliche Disposition der Sätze“ oder den „thematischen Zusammenhang“. Auch die mittleren Sätze würden einer poetischen Idee folgen. Nicht zuletzt wertet Floros das Blickmotiv aus Wagners Oper Tristan im berühmten Adagietto als Liebeserklärung an seine spätere Frau Alma. Es sei „ein Lied ohne Worte“ und mit dem Rückert-Lied Ich bin der Welt abhanden gekommen verwandt.
Auch diese Edition erwies sich wie bei den vorigen Symphonien als ähnlich herausfordernd. Der zweisprachige Kritische Apparat besteht hier aus beinahe 30 Seiten Revisionsbericht, wovon 15 Seiten den Einzelanmerkungen gehören. Den mühsamen Entstehungsprozess des Drucks verdeutlichen auch die sechs faksimilierten Partiturseiten – darunter die mit Änderungen versehene Stimme der 1. Oboe. Die vorliegende Ausgabe der Fünften behebt wiederum zahlreiche Mängel und verfolgt in erster Linie praktische Anliegen. Manches, was das Vorwort vermissen lässt, führt der Revisionsbericht aus: welche und wie viele Aufführungen der Fünften Mahler mit Ortsangabe selbst geleitet hat und wie viele Male es andere Dirigenten zu seinen Lebzeiten aufgeführt haben. Fast unübersehbar sind unter anderem die Erläuterungen zur „Überlieferungs- und Publikationsgeschichte“, zu den „autographen Quellen“, zu „Mahlers Korrekturen während der Druckvorbereitungen“. Weiterhin gibt es Erhellendes zur „Uraufführung und aufführungsbedingten Revisionen Mahlers bis 1905“ bis hin zu „aufführungspraktischen Anmerkungen“, insbesondere zu den transponierenden Blasinstrumenten und Wechselinstrumenten wie den Klarinetten.
Aus dieser zähen musikwissenschaftlichen Akribie heraus entstand erneut eine ehrfürchtig machende, optimal lesbare und großformatig gesetzte Partitur.
Werner Bodendorff