Beethoven, Ludwig van

Symphonie Nr. 3 Es-Dur “Eroica” op. 55/Große Fuge op. 133

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Bella Musica BM 31.2414
erschienen in: das Orchester 06/2008 , Seite 66

Historische Aufnahmen, das sind längst nicht mehr nur unter teilweise abenteuerlichen Bedingungen entstandene Schallplatteneinspielungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts oder der Jahrhundertmitte. Auch zu den in den 1950er und 1960er Jahren auf Platte festgehaltenen Interpretationen ist allein die zeitliche Distanz mittlerweile schon so groß, dass sie das Attribut „historisch“ verdienen – und die Art des dabei dokumentierten Musizierens ist uns in manchen Fällen schon so fern, dass solche Aufnahmen gleich in einem doppelten Sinn historisch erscheinen. Das gilt zum Beispiel auch für eine neue Beethoven-CD von Bella Musica, auf der die Eroica sowie die Große Fuge in Konzertmitschnitten von 1959 bzw. 1961 mit dem Berliner Symphonischen Orchester unter Carl A. Bünte festgehalten sind. Das Berliner Symphonische Orchester bestand von 1949 bis 1967 und wurde dann in Symphonisches Orchester Berlin umbenannt. Der 1925 in Berlin geborene Carl A. Bünte war Schüler von Sergiu Celebidache, weltweit aktiv und Professor in Tokio und Berlin.
Gangart und Klangideal dieser Wiedergaben stehen ganz im Bann einer spätromantischen Aufführungstradition. Die Zeitmaße sind breit, im Fall des Trauermarschs der Eroica sogar sehr breit, der Klang ist wuchtig, pastos und basiert auf einem satten Bassregister. Natürlich ist im Trio des Scherzos das Tempo im Unterschied zu den Rahmenteilen breiter – und auch für die langsame Passage im Finale nimmt sich der Dirigent viel Zeit. Dass der erste Satz in Vierteln und nicht in ganzen Takten gedacht ist, nimmt im Kontext eines dergestalt traditionellen Beethoven-Bildes kaum wunder.
Und doch – die Wiedergabe der dritten Beethoven-Sinfonie Es-Dur op. 55 als Mitschnitt vom 2. Mai 1959 hat im klangprächtigen Spiel des Berliner Symphonischen Orchesters unter Bünte einen eigenartigen Reiz. Besonders im 19 Minuten langen Trauermarsch sind die Motive und Themen wie in Stein gemeißelt und erscheinen als hochexpressive Klangskulpturen. Bünte hat eine starke Handschrift und eine dezidierte Auffassung von dem Stück, die er mit seinem Orchester in höchst prägnanter Weise umzusetzen weiß. Es ist ein Beethoven mit viel Pathos, aber auch einer von strenger, gleichsam objektiver Erhabenheit. Dass der Dirigent 1961 und 1962 den Musikpreis des Deutschen Kritikerpreises für seine Beethoven- und Bruckner-Interpretationen erhielt, ist nicht verwunderlich.
Die aufnahmetechnisch leider sehr dumpf und verwaschen klingende Aufnahme der Großen Fuge B-Dur op. 133 vom 21. Mai 1961 macht aus dem Quartett-Original in Büntes eigener Fassung ein hochdramatisches Orchesterstück, in dem noch in der kompliziertesten Polyfonie jedes Motiv von leidenschaftlichem Ausdruck erfüllt ist und die Satzcharaktere der unterschiedlichen Teile sehr markant herausgearbeitet werden.
Karl Georg Berg

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