Mahler, Gustav

Symphonie No. 3

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Tudor 7170
erschienen in: das Orchester 11/2011 , Seite 75

Bereits mit seinen teilweise preisgekrönten Aufnahmen der Mahler-Sinfonien Nr. 2, 4, 5 und 9 hat Jonathan Nott am Pult der Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie Furore gemacht. Auch seine Interpretation der dritten Sinfonie, die soeben als Mitschnitt vom Mai 2010 aus der Konzerthalle Bamberg erschienen ist, kann als neue Referenz-Einspielung gelten.
Beginnen wir am Ende – mit dem großen Adagio, das als universeller Liebesgesang das Werk beschließt. Nott gelingt es hier den rund 25 Minuten langen Satz quasi in einem Atem zu singen, sprich als durchgängigen großen Bogen zu beschreiben. Seine formale Übersicht ist nicht nur hier grandios. Alle Details sind Teil eines sinnfällig aufgefächerten großen Ganzen. Aber sie sind ohne falsche Überzeichnung immer sehr fein und kammermusikalisch modelliert.
In der Tat: Nott gibt Mahlers Partitur eine an der Wiedergabe der Musik der Klassik geschulte Differenzierung und Durchsichtigkeit. Mit dieser aber bringt er die außerordentlichen Satzstrukturen und die großen, erhabenen Ausdrucksmomente des Werks nur umso stärker zur Wirkung. Als in der Neuen Musik erfahrener Dirigent weiß er zudem um die Analyse vielschichtiger kompositorischer Texturen. Doch seine Mahler-Deutung geht über die genaue Darstellung des Notentextes weit hinaus. Jedes Thema, jedes Motiv, ja tendenziell jeder Ton sind hier von individuellem Profil und dynamisch belebt, sodass das in ihnen eingeschlossene Ausdruckspotenzial seine volle Intensität entfaltet.
Es ist ein persönlich empfundener, jedoch nie subjektiver Mahler, es ist ein überlegen durchdachter, jedoch nie unbeteiligter Mahler. Es gelingt Nott vielmehr, den gewaltigen Kosmos dieses bald zweistündigen Werks zwingend unmittelbar und authentisch zu musizieren. Das ist schon in den ersten Tönen des ersten Satzes zu spüren. Faszinierend schon die Breite des Ausdrucks von kaum hörbaren Momenten der unbewegten Natur bis hin zum Feuer des orgiastisch gesteigerten Marsches am Ende. Selten sind im zweiten Satz die „floralen“ Motive so zart und aufblühend zu erleben. Brillant und rhythmisch impulsiv erklingen im dritten Satz die Rahmenteile um das poetisch musizierte Posthornsolo von Markus Mester. Versunken und nachsinnend ist der Ton der Nietzsche-Vertonung aus Also sprach
Zarathustra mit der vorzüglichen Solistin Mihoko Fujimura. Wahrlich keck im Ausdruck und hintersinnig erscheint der fünfte Satz mit der Vertonung des Wunderhorn-Lieds Es sungen drei Engel einen süßen Gesang mit dem Frauenchor der Bamberger Symphoniker und den Knaben des Bamberger Domchors.
Und dann das Finale, das überwältigend in seiner Dramaturgie aufgebaut ist und in einer ganz seltenen, erhabenen, edlen Schönheit zum Höhepunkt kommt.
Karl Georg Berg