Berlioz, Hector / Charles Ives / Dmitri Schostakowitsch

Symphonie Fantastique / Holidays Symphony / Symphony No. 5

Keeping Score/Revealing classical music, created by Michael Tilson Thomas with the San Francisco Symphony

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: SFSMedia, www.keepingscore.org, 3 DVDs
erschienen in: das Orchester 10/2010 , Seite 79

Hellmuth Rilling beleuchtet in seinen „Gesprächskonzerten“ Details von Bach-Kantaten und -Oratorien gern, indem er kurze Passagen anspielen lässt – eine sinnvolle Einführung, um die Werke intensiver zu erleben. Vor Jahren schon öffnete Leonard Bernstein in seinen berühmten Radiosendungen vielen Menschen in ähnlicher Weise den Zugang zur Klassik; seine Sendungen wurden auf Tonträgern weltweit Verkaufserfolge. Die rasante Entwicklung unserer heutigen Medien macht es möglich, solche Einführungen in einer noch ausgefeilteren Form mit Bildsequenzen, Tonüberschneidungen und anderen Zutaten so zu präsentieren, dass Text und Klang zum spannenden Musikfilm werden. Die hier angezeigten drei DVDs – sie sind auch als BlueRay zu haben – sind dafür beeindruckende Beispiele.
Michael Tilson Thomas, von seinen Fans „mtt“ genannt, seit 16 Jahren Chef am Pult der San Francisco Symphony, hat vor wenigen Jahren begonnen, mit seinen Symphonikern zu bekannten Orchesterwerken Einführungen zu präsentieren; sie wurden im Fernsehen gesendet. Einer ersten Reihe von drei Produktionen – Beethovens Eroica, Strawinskys Le Sacre de Printemps und Tschaikowskys 4. Sinfonie – folgt nun eine zweite Serie.
Wie „mtt“ diese Werke in Entstehung, Bedeutung und Faktur erläutert, ist bewundernswert, dazu gut formuliert und mit vielen Klangbei-spielen unterlegt. Idee und Überblendtechnik faszinieren besonders dann, wenn er als exzellenter Pianist die Struktur einer Passage am Klavier mit wenigen Tönen darstellt und sein Spiel wundersam nahtlos ins Orchestertutti einmündet und weiterfließt – einfach verblüffend. Naturbilder bei Ives, martialische sowjetische Filmsequenzen bei Schostakowitsch, Pariser Stadtansichten bei Berlioz und viele andere visuelle Komponenten schaffen eine Gefühlsstimmung, die das Musikalische intensiv miterleben lässt: Die wirkungsvolle Kombination von Bild, Ton und Wort dieser Musikfilme lässt sich in solcher Wahrnehmungsdichte und Aussagekraft kaum auf andere Weise erreichen.
Jeder Produktion dient die Biografie des Komponisten als Grundlage der Beschreibungen – bei Berlioz sind es seine fantastischen „Episoden“ als psychologisches Selbstporträt, bei Ives Jugenderlebnisse in New England für seine extreme Experimentiersucht zwischen Sanftheit und brutalstem Chaos, bei Schostakowitsch für die vielleicht in dieser Musik doch versteckten Fingerzeige der nach frühen Triumphen schrecklichen und gar
lebensbedrohenden Ereignisse der Stalinzeit, die im Film von einigen exilrussischen Orchestermitgliedern erschütternd bestätigt werden…
Die scheinbare Leichtigkeit der Präsentation lässt des faszinierenden Dirigenten intime Kenntnis aller biografischen, historischen und musika-lischen Details jeder Produktion fast vergessen. Gleichermaßen bewundernswert ist deren medientechnische Perfektion. Die Silberscheiben bieten zusätzliche Informationen über vieles sonst für die Produktionen Interessante – über Mitwirkende, die Philosophie des ganzen Vorhabens, auch die wichtigen Sponsoren, über Parallelproduktionen mit speziellen Trailern und andere Details. Man kann nur wünschen, dass viele Musikliebhaber und solche, dies es werden wollen, danach greifen!
Diether Steppuhn

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