Wagner, Richard

Symphonie C-Dur/Siegfried Idyll

Rubrik: CDs
Verlag/Label: VMS 112
erschienen in: das Orchester 11/2004 , Seite 84

Für das Werk und die Ästhetik Richard Wagners hat die Auseinandersetzung mit dem Schaffen Ludwig van Beethovens eine besondere Bedeutung gehabt. Dies bezieht sich nicht nur auf den Einfluss Beethovens auf das Musiktheater Wagners, sondern hatte, was weniger bekannt ist, auch direkte Auswirkungen auf das schmale sinfonische Œuvre Wagners.
Die einzige vollendete Sinfonie des Revolutionärs des Musiktheaters, die 1832 in nur sechs Wochen entstanden und im selben Jahr uraufgeführt wurde (eine durchaus erfolgreiche Aufführung 1833 in Leipzig blieb ohne nennenswerte Folgen), zeigt fast schon überdeutlich den Einfluss des Meisters der Wiener Klassik. Und sie macht schlaglichtartig die Problematik des Komponierens auf dem Feld der Sinfonie nach Beethoven deutlich, die Komponisten bis hin zu Brahms einerseits zur Auseinandersetzung und zu neuen Wegen anregte, andererseits aber auch als künstlerischer Hemmschuh gesehen werden muss.
Die Partitur von Wagners C-Dur-Sinfonie verschwand, nachdem der Komponist sie Felix Mendelssohn Bartholdy geschenkt hatte. Nachforschungen nach ihrem Verbleib blieben zu Lebzeiten Wagners erfolglos. 1877 tauchten die Orchesterstimmen wieder auf, aus denen Wagners Assistent Anton Seidl eine Partitur schuf, die Wagner später teilweise umarbeitete. Diese Version lag auch dem letzten Dirigat Richard Wagners im Teatro la Fenice in Venedig 1882 zu Grunde. Dieses Konzert war als Geburtstagsgeschenk für seine Frau Cosima gedacht.
Betrachtet man die C-Dur-Sinfonie, so sind die Parallelen zum Werk Beethovens unüberhörbar. Die einleitenden Akkordschläge erinnern an die Eroica, Einflüsse der Fünften und Siebten sind in den weiteren Sätzen unüberhörbar, im Finale wird an die Neunte erinnert, zugleich sind Anklänge an Mozarts „Jupiter“-Sinfonie zu erkennen. Über Details hinaus ist es die Komponierhaltung und der Ausdruckswille, die an das große Vorbild gemahnen. Dennoch ist die C-Dur-Sinfonie kein Werk, das nur unter dem Label der Epigonalität subsumiert werden darf.
Dies macht der Höreindruck der Einspielung der Leipziger Fassung von 1832 nach der Gesamtausgabe der Wagner’schen Werke unter Florian Merz und der Chursächsischen Philharmonie deutlich. Die Verwendung von Originalinstrumenten der Entstehungszeit sowie die tiefere Stimmung (a = 430 Hz) lassen den durchaus originellen Gehalt der Musik deutlich hervortreten. Das ambitionierte Musizieren des Orchesters setzt nicht auf einen geschönten Klang, sondern auf eine spannungsgeladene Rauheit. Dem im Gegensatz zu heutigen Gepflogenheiten kleineren Streicherapparat steht eine relativ große Bläserbesetzung gegenüber, die Verwendung der alten deutschen Sitzordnung (erste Geigen sitzen den zweiten gegenüber) sorgt mit den Bemühungen des Dirigenten für ein sehr durchhörbares, in den Klangfarben nicht verschmolzenes Klangbild. So wird der instrumentale Dialog mit all seiner Schroffheit, aber auch die dem Werk innewohnende Dramatik bestens ausgeleuchtet.
Merz und seine Chursächsische Philharmonie musizieren auf dieser CD zudem die Urfassung des Siegfried Idylls von 1870, auch wieder auf entsprechendem Instrumentarium der Zeit. Diese kammermusikalisch zu nennende Besetzung (Stimmung hier a = 440 Herz) mit einem Streichquartett nebst den Bläsern ist Garant für eine höchst transparente Aufführung, die es möglich macht, den feinen Linienführungen der Musik, die an die des Siegfried anschließt, optimal zu erleben. Vergleicht man den Höreindruck mit dem von sonstigen, sinfonisch besetzten Aufführungen, so könnte man fast meinen, ein anderes Werk zu hören.
Walter Schneckenburger