Richard Strauss
Symphonia Domestica op. 53
Münchner Philharmoniker, Ltg. Zubin Mehta
Keines der berühmten Orchesterwerke von Richard Strauss erlebte seine Uraufführung in München, obschon die Stadt den Komponisten als einen der Ihren okkupiert; dabei konnte der Komponist seinerzeit gar nicht schnell genug von hier fortkommen. Dem strengen Kanon an Strauss-Werken, die in München erklingen, kann sich kein Dirigent, selbst kein Chefdirigent der Klangkörper vor Ort, entziehen und endlich auch den verhältnismäßig unbekannten, kaum weniger interessanten Strauss programmieren.
Dies wäre für Zubin Mehta auch gar nicht von Interesse gewesen. Er hatte deutlich erkennbare Lieblingswerke von Strauss, und die Symphonia Domestica gehörte klar dazu. In dem hier zu hörenden Mitschnitt vom November 2021 dirigiert er ein Werk, das er über mehr als 50 Jahre unzählige Male weltweit aufgeführt hat und in dem er sich nicht aus programmatischer Selbstgefälligkeit verliert. Die Differenziertheit der orchestralen Ausarbeitung im Detail ist beeindruckend, der natürliche Fluss zeugt von der großen Vertrautheit aller Mitwirkenden mit der Musik, erfreut durch den großen Reichtum an Klangfarben, auch Querbeziehungen zu Opern, die Mehta nie dirigiert hat. Er lässt seinen Musikern Zeit, vermittelt Verständnis und Vertrautheit, steht aber auch Strauss’ Forderung nach Unsentimentalität nicht fern. Vor allem die eher zum Langsamen tendierenden Tempi und das etwas zuviel an Rubato sorgen dafür, dass gelegentlich die sinfonische Klarheit des kompositorischen Konzepts etwas aus dem Blick gerät. Dabei werden die Übergänge jeweils sorgfältig ausmusiziert und zeugen von großem, gemeinsamem Musikverstehen.
Leider ist das Orchester (vor allem das Streichertutti) nicht in optimaler Weise mikrofoniert, sodass (während Streichersoli von hoher Präsenz sind) die Gesamtbalance im Orchester nicht durchgehend gewährleistet ist. Wie heutzutage viel zu häufig sind Soloinstrumente zu stark in den Vordergrund gehoben, sodass die Tutti nicht selten flach und nicht organisch verbunden klingen; dieser Mangel an ausgewogener Balance mag zusätzlich daran liegen, dass die Violinen nicht wie damals üblich einander gegenüber sitzen und dadurch automatisch für besseres Gleichgewicht sorgen. Immer wieder gerät die Gesamtfaktur des Orchesterklangs pauschal und aus zu großer Ferne und dann sich wieder zu prominent in Solopartien verlierend.
Dass die Produktion mit knapp 50 Minuten vom Umfang her knapp veranlagt ist, mag man mit Blick auf die Entstehung nachsehen. Nicht nachzusehen ist aber der allzu oberflächliche Booklettext. Es gab eine Zeit, da haben die Münchner Philharmoniker höchsten Wert auch auf qualitätvolle Programmtexte gelegt. Hier ist davon nichts mehr zu spüren.
Jürgen Schaarwächter