Hessenberg, Kurt / Lars-Erik Larsson / Oliver Messiaen
Suite zu Shakespeares “Der Sturm” op. 20 / Konzert für Saxofon und Streichorchester op. 14 / L’ascension
Unter dem Signum Club 100 ediert die Deutsche Grammophon eine Reihe, die sich Komponisten des 20. Jahrhunderts anlässlich ihres 100. Geburtstags widmet. Auf der vorliegenden CD fiel die Wahl auf den deutschen Komponisten Kurt Hessenberg (gestorben 1994) mit der Opern-Suite zu Shakespeares “Der Sturm” für Orchester op. 20 (1942), den schwedischen Komponisten Lars-Erik Larsson (gestorben 1986) mit dem Konzert für Altsaxofon und Streichorchester op. 14 (1932) und zum krönenden Abschluss auf den französischen Komponisten Olivier Messiaen (gestorben 1992) mit den etwa 40-minütigen vier Meditations symphoniques “Lascension”. Hessenbergs Shakespeare-Suite erfährt hier durch die Kammersymphonie Berlin unter der Leitung von Jürgen Bruns ihre Ersteinspielung.
Markantes Kennzeichen dieser drei Komponisten ist es, dass ihre Werke während der NS-Zeit entstanden sind (möglicherweise einem stilistischen Zwang unterlagen) und sie nicht emigriert sind. Kurt Hessenberg entfaltet bei aller Konservativität im Rahmen einer erweiterten Tonalität und einem Hang zur Polyfonie einen eigenen Personalstil. Lars-Erik Larsson schrieb sein Altsaxofon-Konzert unter der Anregung des großen Saxofonisten Sigurd Raschèr, der wegen der deutschen Missliebigkeit des Saxofons in dieser Zeit in die USA emigrierte. Von ihm übernahm Larsson die aberwitzige Tonhöhen-Erweiterung und schuf in der klassischen dreisätzigen Form ein vielgespieltes virtuoses Konzert, das im Schlusssatz tänzerisch-spielerisch ausklingt und von Frank Lunte als Solist der Kammersymphonie vorzüglich geblasen wird. Im Spiegel neuer Saxofon-Konzerte (übrigens teilweise vom berühmten Raschèr Saxofon Quartet initiiert) klingt das Larsson-Konzert dennoch als ein Stück vergangener Zeiten.
Am beeindruckendsten auf dieser CD ist zweifellos das sakral inspirierte Orchesterwerk “Lascension”, das Messiaen im Alter von 24 Jahren in den Jahren 1932/33 geschrieben hat und das schon erstaunlich viele Insignien seiner späteren Meisterschaft in sich trägt: eine lobenswerte Ausgrabung des sonst kaum zu hörenden kühnen Frühwerks. Teilweise in modaler Technik geschrieben (choralartige Bläserakkorde), deren Skalen polytonal angelegt sind, entwickelt das Werk eine farbige Orchesterpalette, die zweifellos von Messiaens Organisten-Tätigkeit inspiriert ist. Daneben kann man im dritten Satz Anklänge an Strawinskys “Le Sacre de printemps” finden.
Am erstaunlichsten ist aber für mich der vierte Satz Priere du Christ montant vers sons Pere, kurz : Christi Himmelfahrt. Hier meine ich, sind bereits vorgeprägte Klangwolken zu hören, die György Ligeti etwa 30 Jahre später in Donaueschingen mit seinem Werk “Atmosphères” berühmt gemacht haben. Es ist eine wahrhaftige Himmelfahrt-Musik glissierender Klänge, die Messiaen bescheiden mit Aufhebung der Begriffe von Zeit und Raum umschrieben hat. Das Pariser Orchestre de lOpéra Bastille unter der Leitung von Myung-Whun Chung spielt das Werk überzeugend, in einigen Streicherpassagen überschritt es aber dessen technische Möglichkeiten.
Rudolf Lück