Bonis, Mel
Suite
en forme de valses op. 35 bis 39 (15') für Orchester
Der 1986 gegründete, in Kassel ansässige Furore-Verlag macht sich unermüdlich dafür stark, die Musik komponierender Frauen aus ihrem Schattendasein im Musikbetrieb zu befreien. Mit der Veröffentlichung
von Noten und Büchern leistet er seit nun fast drei Jahrzehnten auf diesem Gebiet Pionierarbeit, die bereits mehrfach mit dem Deutschen Musikeditionspreis Best Edition gewürdigt wurde.
Von der französischen Komponistin Melanie Bonis, die unter dem Kurznamen Mel Bonis an die Öffentlichkeit trat, hat Furore bereits zahlreiche Werke publiziert und insbesondere eine zehnbändige Edition ihrer Klaviermusik vorgelegt. Wie so viele andere musikalisch begabte Frauen konnte die 1858 geborene Mel Bonis ihre künstlerischen Fähigkeiten nicht ungehindert entfalten, sondern musste die musikalischen Aktivitäten nach einer von den Eltern erzwungenen Heirat mit dem Beruf als Gattin des Industriellen Albert Domange und Mutter vierer Kinder teilen. Immerhin: Phasenweise konnte das musikalische Schaffen in ihrem Leben in den Vordergrund treten, vor allem in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts bis hin zum Ersten Weltkrieg.
Die von César Franck geförderte und dann als Mitstudentin von Claude Debussy und Gabriel Pierné bei Ernest Guiraud am Pariser Conservatoire ausgebildete Mel Bonis schuf im Jahr 1898 eine Suite en forme de valses, die in mehreren Fassungen vorliegt: für Klavier zweihändig, Klavier vierhändig und für Orchester. Die Veröffentlichung des Furore-Verlags macht nun die Partitur dieser Orchesterfassung für Streicher,
Flöte, Oboe, zwei Klarinetten, Fagott, zwei Hörner und Pauken zugänglich (Stimmenmaterial ist auf Anfrage beim Verlag ebenfalls erhältlich).
Das bei der Aufführung etwa eine Viertelstunde dauernde Werk ist mit leichter Hand geschrieben und entsprechend leichtfüßig in der Wirkung. Es erweist sich als typisch gefälliges und unbeschwertes Produkt der Belle Époque. Diese Suite enthält keine Musik der großen leidenschaftlichen Gefühle, sondern schlägt mit gewisser Noblesse einen gepflegten Konversationston an. Wenn auch die hohen Streicher oft führend sind, so beteiligt die Partitur doch die übrigen Instrumente am thematischen Geschehen, was in kurzen Momenten sogar für die sonst nur klangfüllend und -bindend benutzten Hörner gilt.
Drei verwandte, doch auch je eigenen Charakter entwickelnde Sätze weist die Suite auf: Am Anfang steht ein Ballabile im Mouvement modéré de Valse. Sein leicht melancholisches cis-Moll setzt sich auch noch im folgenden Interlude fort, welches in eine con grazia anzustimmende Valse Lente in Des-Dur übergeht. Mit Scherzo-Valse ist das F-Dur-Finale überschrieben, das von munteren Staccatomotiven eröffnet wird und in einen verhuschenden Pianissimo-Schluss mündet.
Gerhard Dietel


