Ruzicka, Peter
Sturz
Streichquartett Nr. 5, Partitur
Bereits das unglaublich bewegte Partiturbild von Peter Ruzickas fünftem Streichquartett gibt einen Blick auf die unmittelbare Dramatik dieses Sturz betitelten Werkes frei. Extremste Dynamikunterschiede, vom vierfachen Pianissimo bis zum heftigsten Sforzato reichend, belegen das ebenso wie die ständigen Taktwechsel und die geforderte Bandbreite der Klanggestaltung. Minutiöseste Anweisungen finden sich hier auf engstem Raum wieder, die Vielschichtigkeit des Ausdrucks scheint mit herkömmlicher Notenschrift schon fast nicht mehr abbildbar.
Ruzickas Komposition türmt mächtige spieltechnische Schwierigkeiten in Bezug auf rhythmische Komplexität und Tongebung vor den vier Ausführenden auf und ist ganz gewiss ein Virtuosenstück für die klassische Streichquartettbesetzung. Eine befriedigende Wiedergabe wird aufgrund der Komplexität des Zusammenwirkens der Einzelstimmen wohl nur von ganz wenigen Ensembles nach intensivster Vorbereitungszeit zu realisieren sein. Die Verflechtung der vier Instrumentallinien ist so fortgeschritten, dass das Auswendigspielen des Werks fast die einzige Option für eine Aufführung zu sein scheint.
Enorm reaktionsschnell im Aufgreifen der jeweils von den anderen Instrumenten übergebenen musikalischen Linie müssen die Musiker hier gestalten, schärfste Kontraste müssen auf engstem Raum traumwandlerisch sicher gesetzt werden und zu jedem Zeitpunkt muss eine perfekte organische Dynamik im gesamten Quartett abgebildet werden: Das Ensemble hat quasi zu einem einzigen machtvollen Instrument zu verschmelzen.
Die Farbpalette der Streicher weist dabei eine schillernde Vielgestaltigkeit auf, die im Verbund mit der ungestümen Motorik des Werks für eine nachhaltige und enorm eindrucksvolle Klangrede sorgt. Dabei wird die auf kleinstem Raum angelegte Bewegung zwar immer im Wettstreit mit einer großflächigeren Entwicklung stehen, wird die momentane Tiefenschärfe des Klanggeflechts der vier Stimmen aber eben auch zum Träger der übergeordneten musikalischen Idee werden müssen.
Peter Ruzicka stellt seine Interpreten vor fast unlösbare Aufgaben. Einmal bewältigt dürfte sein Streichquartett Nr. 5 jedoch bei Spielern und Zuhörern für intensivste musikalische Eindrücke sorgen. Den Sog, die Unbedingtheit und Kompromisslosigkeit dieser Musik darzustellen, ist die Aufgabe, die der Komponist in diesem Werk angelegt hat.
Daniel Knödler