String Trios by Beethoven & Herzogenberg
Live at Peaceful Bend Vineyard Festival, Missouri
Das Berliner Jacques Thibaud-Streichtrio mit Burkhard Maiss (Violine), Philip Douvier (Viola) und Bogdan Jianu (Cello) ist bekannt für seine Ausflüge ins Raritäten-Kabinett der Kammermusikliteratur. Das trifft auch für seine zweite CD-Einspielung für das Festival Peaceful Bend Vineyard zu: Die Visitenkarte ist gefüllt mit Begriffen wie kompetent, glühend, leidenschaftlich und ambitioniert.
Das Besondere dieser Aufnahme: Heinrich von Herzogenbergs A-Dur-Komposition. Herzogenberg (1843-1900) war ein exzellenter Bach-Kenner, gründete in Leipzig den Bach-Verein. Studiert hatte er in Wien. Die österreichische Metropole und die Bach-Stadt besaßen für die Biografie und für die musikalische Entwicklung des Musikers vor allem eine Schnittstelle: Johannes Brahms. Während von Herzogenberg den bedeutenden Zeitgenossen verehrte, blieb Brahms eher zurückhaltend in seiner Förderung. Aber das hier vorgestellte Streichtrio op. 27/1 von 1877 schätzte er. Warum, das erklärt sich schnell. Denn von Herzogenbergs Werk durchzieht tiefer romantischer Geist. Es lebt von dialogischer Spannung, von melodischer Opulenz, von Ensembledichte und handwerklich-praktischer Güte. Von Herzogenberg fühlt sich in den brahmsschen Kosmos unproblematisch ein. Dass gerade die beiden Werke op. 27 die Nähe zu Brahms niemals leugnen, wird ihnen nicht negativ angerechnet. Denn immerhin hat die Musikrezeption den Wert von Herzogenbergs erkannt. Ob nun Epigone (im Sinne Brahms) oder nicht: Das viersätzige Trio wartet mit zwar konservativer Haltung, aber ungewöhnlich schönen Farben auf. Für das Thibaud-Ensemble eine Fundgrube für delikate und satte Klänge.
Beethovens sechsteiliges op. 3 huldigt zwar noch mozartschem Duktus, doch es weist schon in eine neue, klassische, gewisserweise in eine programmatische Richtung. Denn in den dynamischen oder kontrapunktischen Details überraschte es damals. Das Publikum dürfte vielleicht sogar schockiert gewesen sein über die kämpferische Anlage. Das Werk entstand um 1795 als Gran Trio mit Verweisen auf Mozarts Divertimento KV 563. Aber Beethoven, hier noch der ganz junge, aber durchaus schon fertige Komponist, hebt sich ab von einer rückwärtsgewandten Einbindung. Das Thibaud-Streichtrio wartet auch bei dieser Interpretation mit klanglicher Eleganz und forschem Drive auf. Das Stück wirkt so erstaunlich modern.
Als kleine Zugabe auf der CD erklingt abschließend Franz Schuberts Sonate D 384 (Andante) arrangiert von Philip Douvier. Auch hier verstehen sich die drei jungen Musiker, die erstmals 1994 gemeinsam auftraten, blind. Musik zwischen Beethoven und Brahms diese kammermusikalische Trio-Lücke wird ausgezeichnet gefüllt.
Jörg Loskill