Watkins, Huw

String Quartet

Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2015
erschienen in: das Orchester 04/2016 , Seite 72

Huw Watkins zählt zu den namhaftesten britischen Komponisten seiner Generation. Geboren 1976 in Pontypool (Wales), studierte er vor allem an der Cambridge University bei Alexander Goehr und Robin Holloway, übernahm selbst 2003, also als 27-Jähriger, eine Kompositionsprofessur am Royal College of Music in London und ist seit 2005 mit dem Schott-Verlag verbunden. Sein bislang vorliegendes Œuvre umfasst alle Gattungen vom Operneinakter bis zur Chormusik a cappella, von Konzerten für verschiedenste Besetzungen bis zur Kammermusik. Als versierter Pianist hat er sich an Aufführungen und Einspielungen seiner Werke selbst beteiligt. In Deutschland wurde man auf ihn aufmerksam, als er 2010 als Composer in Residence beim „Spannungen“-Festival in Heimbach mitwirkte; seit 2015 ist er Composer in Association beim National Orchestra Wales.
Das 2013 vom Carducci String Quartet in Manchester uraufgeführte Streichquartett ist sein bislang einziges Werk für diese Besetzung: ein gut überschaubares, konzises, sorgfältig-gediegen durchgestaltetes Werk in drei eher knappen Sätzen, das etwa 15 Minuten dauert. Die Formen hält Watkins durchaus traditionell: Reprisenform im mäßig-schnellen Kopfsatz, Scherzoform im Allegretto-Tempo mit Trio-Teil im mittleren Satz und rondoartige Disposition im rasanten Finale. Diese Formen werden von einem sich gleichsam wie von selbst fortspinnenden motivischen Prozess hervorgetrieben, der spontane Züge trägt und der Musik einen Duktus gibt, der am ehesten an den Neoklassizismus des mittleren Strawinsky erinnert.
Die Rhythmik differenziert Watkins ohne fragwürdige Komplizierungen oft polyrhythmisch, und das Tonmaterial hält er geradezu robust – in offenbar demonstrativer Opposition zur usuellen Chromatik – diatonisch (in den ersten acht Takten kommt er ohne Vorzeichen aus). Auch die spieltechnischen Ansprüche wirken wohl knifflig, ohne jedoch zu überfordern. Man könnte von einem musikantischen Impetus sprechen, der diese Musik trägt, wenn diese Charakterisierung noch die eminente Hochschätzung besäße, die sie einmal in den 1920er Jahren auszeichnete und mit welcher solche Musik von verstiegener kompositorischer Esoterik unterschieden wurde. Jedenfalls schreibt Watkins niveauvolle Musik zum Spielen und Hören, kaum aber für die Schreibtisch-Schubladen.
Der Druck der Stimmen mit immer sinnvollen Wendestellen und der Partitur ist schlechterdings vorbildlich und lässt überhaupt keine Wünsche offen; nützlich wäre als Beigabe vielleicht eine knappe informative biografische Notiz über den Komponisten gewesen. Ein Verzeichnis der publizierten Werke Watkins’ ist im Schott-Verlag erschienen.
Giselher Schubert